
PMCF & PMPF: Ein praktischer Leitfaden zur klinischen und leistungsbezogenen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen
Hersteller von Medizinprodukten und IVD missverstehen oft, was die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (Post-market Clinical Follow-up, PMCF) gemäss EU-MDR und die Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen (Post-market Performance Follow-up, PMPF) gemäss IVDR beinhalten. PMCF- und PMPF-Aktivitäten sind nicht unbedingt mit klinischen oder Leistungsstudien gleichzusetzen.
Wenn Sie unsicher sind, welche PMCF- oder PMPF-Aktivitäten Sie für Ihr Produkt benötigen, lesen Sie weiter.
Wichtigste Erkenntnisse
- PMCF und PMPF sind obligatorisch, um die klinische Bewertung oder Leistungsbewertung während des gesamten Lebenszyklus des Produkts auf dem neuesten Stand zu halten. Gibt es einen Bericht über die klinische Bewertung (CER), so benötigt der Hersteller einen PMCF; gibt es einen Bericht über die Leistungsbewertung (PER), so benötigt der Hersteller einen PMPF.
- Für In-vitro-Diagnostika (IVD) ist der PMPF eine neue Anforderung im Rahmen der IVDR. Er ist jedoch auch für “Legacy-IVD” erforderlich, selbst wenn für diese Produkte kein Bericht über die Leistungsbewertung (PER) vorliegt.
- Um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten, müssen Hersteller den Unterschied zwischen “allgemeinen” und “konkreten” PMCF/PMPF-Aktivitäten verstehen und sich der Überschneidungen zwischen Aktivitäten zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen und “allgemeinen” PMCF/PMPF-Aktivitäten bewusst sein.
Inhalt
Was sind PMCF gemäss EU-MDR und PMPF gemäss IVDR?
Um Missverständnisse auszuräumen, beginnen wir mit den rechtlichen Konzepten der EU-MDR (Verordnung 2017/745 über Medizinprodukte) und IVDR (Verordnung 2017/746 über In-vitro-Diagnostika).
- Die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (PMCF) gemäss EU-MDR “ist als ein fortlaufender Prozess zur Aktualisierung der klinischen Bewertung gemäss Artikel 61 und Teil A dieses Anhangs zu verstehen und wird im Plan des Herstellers zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen behandelt.” [Anhang XIV, Teil B, Punkt 5 EU-MDR]
- Die Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen (PMPF) gemäss IVDR “ist als fortlaufender Prozess zur Aktualisierung der Leistungsbewertung gemäss Artikel 56 und Teil A dieses Anhangs zu verstehen und wird im Plan des Herstellers zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen eigens behandelt..” [Anhang XIII, Teil B, Punkt 4 IVDR]
Einfach ausgedrückt, stellen die PMCF- oder PMPF-Aktivitäten das Mittel dar, um entweder den Bericht über die klinische Bewertung (CER) für Medizinprodukte oder den Bericht über die Leistungsbewertung (PER) für IVD kontinuierlich auf dem neuesten Stand zu halten.
PMCF und PMPF sind als Erweiterung des Prozesses der klinischen Bewertung bzw. der Leistungsbewertung während des gesamten Lebenszyklus des Produkts zu betrachten, so wie auch der Risikomanagementprozess des Produkts eine kontinuierliche Phase nach dem Inverkehrbringen hat.
Sind PMCF und PMPF überhaupt neue Anforderungen?
Obwohl PMCF bereits in den früheren Richtlinien (MDD und AIMDD) gefordert war, konnte darauf verzichtet werden, wie in beiden Richtlinien angegeben:
“Wird eine klinische Überwachung nach dem Inverkehrbringen als Bestandteil des Überwachungsplans nach dem Inverkehrbringen nicht für erforderlich gehalten, muss dies ordnungsgemäss begründet und dokumentiert werden.”
Dies wurde durch die Tatsache begünstigt, dass der einzige damals verfügbare Leitfaden (MEDDEV 2.12/2) davon ausging, dass es sich bei den PMCF-Aktivitäten nur um klinische Prüfungen nach dem Inverkehrbringen handelte.

PMPF ist eine neue Anforderung. Sie wurde in der früheren IVDD nicht erwähnt.
Einige Hersteller nehmen an, dass dies unter der EU-MDR nicht anders ist, weil Anhang III auch darauf hinweist, dass der PMCF-Plan im PMS-Plan enthalten sein muss “oder eine Begründung, warum eine klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen nicht anwendbar ist”. Diese Annahme ist falsch, wie im Kapitel Wann sind PMCF- oder PMPF-Aktivitäten erforderlich? erläutert wird.
Für IVD hingegen ist es tatsächlich eine neue Anforderung. PMPF wurde in der früheren IVDD überhaupt nicht erwähnt, und es gab keinen MEDDEV-Leitfaden zu diesem Thema.
Wann sind PMCF- oder PMPF-Aktivitäten erforderlich?
Gemäss EU-MDR ist ein PMCF immer erforderlich, wenn:
- das Produkt ein Klasse III oder implantierbares Produkt ist. Art. 61, Abs. 11 lässt keinen Raum für andere Optionen.
“Für Produkte der Klasse III und implantierbare Produkte werden der Bewertungsbericht über die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen und gegebenenfalls der in Artikel 32 genannte Kurzbericht über Sicherheit und klinische Leistung mindestens einmal jährlich anhand [klinischer Daten, die durch die Umsetzung des PMCF- und PMS-Plans gewonnen werden] aktualisiert.”
- es einen Bericht über die klinische Bewertung (CER) gibt. Gemäss EU-MDR Anhang XIV Teil B ist der PMCF das Mittel, um den CER auf dem neuesten Stand zu halten. Und es gibt nur sehr wenige Fälle, in denen ein CER nicht erforderlich ist. Selbst wenn sich der Hersteller auf die Ausnahmeregelung in Art. 61, Abs. 10 beruft, d.h. wenn klinische Daten nicht geeignet sind, um die Konformität mit den allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen nachzuweisen, muss der Hersteller einen CER erstellen, um die Begründung zu dokumentieren.
Gemäss IVDR ist dies sehr ähnlich. PMPF ist immer erforderlich, wenn:
- das Produkt ein Klasse C oder Klasse D IVD ist. Art. 56, Abs. 6 lässt keinen Raum für andere Optionen.
“Für Produkte der Klassen C und D wird der Bericht über die Leistungsbewertung bei Bedarf, mindestens jedoch einmal jährlich anhand der [Daten, die durch die Umsetzung des PMPF- und PMS-Plan gewonnen werden] aktualisiert.”
- es einen Bericht über die Leistungsbewertung (PER) gibt. Gemäss IVDR Anhang XIII Teil B ist der PMPF das Mittel, um den PER auf dem neuesten Stand zu halten. Es gibt keine Ausnahmeregelung für die Erstellung eines PER gemäss IVDR.
Da die meisten “Legacy-IVD” nicht über einen PER verfügen, da sie in der IVDD nicht vorgeschrieben war, ist die Situation ein wenig speziell: MDCG 2022-8 erkennt an, dass die PMPF-Anforderungen weiterhin gelten, befreit den Hersteller aber von der nachträglichen Erstellung einen PER. Siehe auch: Gelten PMCF und PMPF auch für “Legacy-Produkte”?
Schliesslich sind PMCF-Aktivitäten gemäss EU-MDR auch in den folgenden Sonderfällen erforderlich:
- Für Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung, die in Anhang XVI aufgeführt sind (sog. “Annex XVI-Produkte”), ist PMCF explizit erforderlich nach Art. 61, Abs. 9 und unter Berücksichtigung der entsprechenden Gemeinsamen Spezifikationen, Reg. (EU) 2022/2046.
- Für Sonderanfertigungen, auch wenn sie nicht CE-gekennzeichnet sind, ist PMCF im EU-Anhang XIII, Punkt 5 vorgeschrieben: “Der Hersteller prüft und dokumentiert die Erfahrungen, die in der der Herstellung nachgelagerten Phase u.a. bei der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen gemäss Anhang XIV Teil B gewonnen wurden, und trifft angemessene Vorkehrungen, um erforderliche Korrekturen durchzuführen”. Nun müssen die PMCF-Aktivitäten an die Tatsache angepasst werden, dass es nur eine Einheit einer bestimmten Sonderanfertigung gibt.
Gelten PMCF und PMPF auch für “Legacy-Produkte”?
In Bezug auf die Anforderungen der neuen Verordnungen gelten für “Legacy-Produkte” die Leitfäden MDCG 2021-25 (für Medizinprodukte) und MDCG 2022-8 (für IVD). Sie folgen derselben Logik und enthalten teilweise identische Formulierungen. Sie weisen klar darauf hin, dass für “Legacy-Produkte” alle Post-market Surveillance (PMS)-Anforderungen der EU-MDR und IVDR gelten, was PMCF und PMPF einschliesst.
Das bedeutet, dass Hersteller während der gesamten Phase nach dem Inverkehrbringen klinische Daten bzw. Leistungsdaten für “Legacy-Produkte” sammeln und auswerten müssen, und zwar gemäss den Anforderungen von PMCF und PMPF. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, die technische Dokumentation zu aktualisieren und die Struktur und den Inhalt der Anhänge II und III der EU-MDR/IVDR zu übernehmen. Im Falle von IVD bedeutet dies, dass Hersteller nachträglich keinen Bericht über die Leistungsbewertung (PER) erstellen müssen.
Wie muss dies umgesetzt werden?
Hersteller von “Legacy-Produkten” sollten zunächst einen PMCF- bzw. PMPF-Plan erstellen (siehe Welche Aktivitäten sind mit PMCF oder PMPF verbunden?) und dann die Daten in einem PMCF- bzw. PMPF-Bericht sammeln, und zwar mit der gleichen Periodizität, die für Produkte mit CE-Kennzeichnung gemäss EU-MDR bzw. IVDR vorgeschrieben ist.

Für “Legacy-Produkte” gelten alle Post-market Surveillance-Anforderungen der EU-MDR und IVDR, was PMCF und PMPF einschliesst.
Nun gibt es zwar Vorlagen für PMCF-Pläne und -Berichte im Rahmen der EU-MDR, jedoch nichts speziell für IVD. Daher müssen IVD-Hersteller die bestehenden Vorlagen und Leitfäden mit gesundem Menschenverstand extrapolieren. Siehe auch Welche Leitfäden müssen Hersteller für PMCF und PMPF berücksichtigen?
Hersteller von Medizinprodukten können die Ergebnisse jedes nachfolgenden PMCF-Berichts in den bestehenden “Legacy”-CER integrieren. Da für IVD keine rückwirkende Erstellung eines PER gemäss IVDR verlangt wird, können Hersteller den PMPF-Bericht während des gesamten Übergangszeitraums fortlaufend aktualisieren. So dient er als nützliche Grundlage für den ersten CER, der im Rahmen der technischen Dokumentation für die IVDR-Zertifizierung bei der Benannten Stelle eingereicht wird.
Welche Leitfäden müssen Hersteller für PMCF und PMPF berücksichtigen?
Wenn Sie keine Leitfäden zum PMPF gefunden haben, brauchen Sie nicht weiter zu suchen. Es gibt noch keine spezifischen Leitfäden in Bezug auf die IVDR.
Vorläufig können IVD-Hersteller nur die bestehenden Leitfäden der Medical Device Coordination Group (MDCG) für PMCF extrapolieren, nämlich:
- MDCG 2020-7, Guidance on PMCF plan template
- MDCG 2020-8, Guidance on PMCF evaluation report template
Diese Dokumente sind sowohl Vorlagen als auch Leitfäden. Auch wenn die MDCG-Dokumente nicht rechtsverbindlich sind, stellen sie eine Auslegung der rechtlichen Anforderungen dar und repräsentieren indirekt die Ansichten der Europäischen Kommission. Sie bilden auch die Grundlage für die regulatorischen Erwartungen der Benannten Stellen und der zuständigen Behörden. In dieser Hinsicht haben Hersteller kaum eine andere Wahl, als sie zu befolgen.
Neben den Leitfäden der MDCG für PMCF im Rahmen der EU-MDR gibt es noch den Leitfaden MEDDEV 2-12/2 zu PMCF-Studien, der unter den früheren Richtlinien herausgegeben wurde. Dieser wird von den Benannten Stellen in Ermangelung eines gleichwertigen Leitfadens der MDCG tendenziell immer noch befolgt. Siehe auch Sind für PMCF oder PMPF immer klinische Studien/Leistungsstudien erforderlich?
Welche Aktivitäten sind mit PMCF oder PMPF verbunden?
In einem ersten Schritt müssen Hersteller einen PMCF- bzw. PMPF-Plan erstellen, in dem die für notwendig erachteten Aktivitäten ordnungsgemäss geplant sind.
Ziel dieser Aktivitäten sind:
- die Sicherheit und Leistung sowie – bei IVD – die wissenschaftliche Validität während der voraussichtlichen Lebensdauer des Produkts zu bestätigen
- die dauerhafte Annehmbarkeit des Nutzen-Risiko-Verhältnisses zu gewährleisten und
- aufkommende Risiken auf der Grundlage von Fakten zu erkennen.
Die Struktur wird durch die Leitfäden und die Vorlage MDCG 2020-7 für PMCF-Pläne vorgegeben. Für IVD muss diese Vorlage mangels spezifischer Vorlage für PMPF-Pläne extrapoliert werden.
- Abschnitt A – Kontaktinformationen des Herstellers
- Abschnitt B – Beschreibung und Spezifikation des Medizinprodukts
- Abschnitt C – Tätigkeiten im Zusammenhang mit der PMCF: allgemeine und konkrete Methoden und Verfahren
- Abschnitt D – Verweis auf die einschlägigen Teile der technischen Dokumentation
- Abschnitt E – Bewertung der klinischen Daten über gleichwertige oder ähnliche Produkte
- Abschnitt F – Verweis auf geltende gemeinsame Spezifikationen, harmonisierte Normen oder geltende Leitfäden
- Abschnitt G – Voraussichtliches Datum des PMCF-Bewertungsberichts
Das Kernstück des PMCF-Plans ist Abschnitt C, in dem alle geplanten Aktivitäten tabellarisch aufgelistet und näher beschrieben werden müssen.
Der Hersteller muss die “allgemeinen und konkreten Methoden und Verfahren” bestimmen und begründen, die für das betreffende Produkt geeignet sind. Hier fangen die Schwierigkeiten erst richtig an, denn es gibt keine Leitfäden. Selbst die Benannten Stellen scheinen unterschiedliche Erwartungen zu haben.
EU-MDR Anhang XIV, Teil B, Abschnitt 6.2 und IVDR Anhang XIII, Teil B, Abschnitt 5.2 geben einige grundlegende Ideen, welche Art von PMCF/PMPF-Aktivitäten wohin gehören sollten:
- Zu den “allgemeinen Methoden und Verfahren” gehören z.B. das Sammeln von klinischen Erfahrungen, Rückmeldungen von Anwendern, die Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur und anderer Quellen für klinische Daten oder, bei IVD, Leistungsdaten oder wissenschaftliche Daten.
- Zu den “konkreten Methoden und Verfahren” gehören beispielsweise:
- Für Medizinprodukte: Auswertung von geeigneten Registern oder PMCF-Studien.
- Für IVD: Ringversuche und andere Qualitätssicherungsmassnahmen, epidemiologische Studien, Bewertung geeigneter Patienten-/Krankheitsregister, genetischer Datenbanken oder PMPF-Studien.
Hersteller müssen unterscheiden zwischen “Register” und anderen öffentlich zugänglichen Datenbanken (z.B. EUDAMED oder Datenbanken der zuständigen Behörden zur Sicherheit von Produkten).
Register für Medizinprodukte sind gut beschrieben in IMDRF/Registry WG/N42FINAL:2018:
“An organized system that continuously and consistently collects relevant data in conjunction with routine clinical care, evaluates meaningful outcomes, and comprehensively covers the population defined by exposure to particular device(s) at a reasonably generalizable scale (e.g. international, national, regional, and health system) with a primary aim to improve the quality of patient care.”
Register existieren meist für implantierbare Produkte und werden in der Regel auf nationaler Ebene von klinischen Fachbereichen (z.B. Orthopädie, Herz-Kreislauf) geführt. Das IMDRF plädiert für ein internationales System, das die bestehenden nationalen Register (z.B. koordinierte Netzwerke) und Plattformen für den gesamten Produktlebenszyklus (z.B. UK Beyond Compliance für orthopädische Implantate) miteinander vernetzen würde. Der Rückgriff auf Daten aus Registern ist nützlich für NEST-Studien, die Registerdaten als Real-World Evidence (RWE) verwenden, um eine Forschungshypothese zu testen.
Was ist mit Umfragen? Wo passen sie hin? Das hängt von der Art der Erhebung ab.
- Qualitativ hochwertige Erhebungen können PMCF-Studien entsprechen (d.h. prospektive Studien mit spezifischen klinischen/leistungsbezogenen Endpunkten, die quantifizierbar sind, und mit statistisch berechneter Grösse der Stichprobe) und würden definitiv unter “konkrete” PMCF/PMPF fallen. Und natürlich sind Folgeerhebungen von Studien vor der Markteinführung PMCF/PMPF-Studien.
- Qualitativ minderwertige Erhebungen, die in der Regel retrospektiv sind, eine zufällige Grösse haben und sich hauptsächlich auf Aspekte der Verwendbarkeit oder auf die Ermittlung des Off-Label-Use konzentrieren, würden unter “allgemeine” PMCF/PMPF fallen. Beachten Sie, dass marketingorientierte Umfragen zur Kundenzufriedenheit keine PMCF/PMPF-Umfragen sind.
Der beste Ansatz zur Einordnung der Erhebung besteht darin, das Niveau der klinischen Evidenz zu analysieren, dem sie entspricht. Dies kann anhand der Hierarchie von 8 Arten klinischer Nachweise (1 ist die höchste Qualität und 12 die niedrigste) in Anhang III des Leitfadens MDCG 2020-6 erfolgen. Qualitativ hochwertige Erhebungen werden auf Stufe 4 und Erhebungen von geringer Qualität auf Stufe 8 eingestuft.
«Hersteller müssen zwischen Register und anderen öffentlich zugänglichen Datenbanken unterscheiden.»
Kurz gesagt: “Allgemeine” PMCF/PMPF-Aktivitäten werden immer erwartet, wenn ein CER/PER vorliegt. “Konkrete” PMCF/PMPF können je nach Risiko des Produkts und mit entsprechender Begründung vereinfacht oder vermieden werden. Beispielsweise kann das Fehlen “konkreter” Methoden bei Produkten mit geringem Risiko und gut eingeführten Technologien gerechtfertigt sein. Einige Benannte Stellen sind sogar der Ansicht, dass auf “konkrete” PMCF/PMPF-Aktivitäten verzichtet werden kann, wenn es sich um Produkte mit bekannter langfristiger Sicherheit und Leistung, ohne festgestellte Trends, mit ausreichenden klinischen/Leistungsdaten zur Unterstützung der Behauptungen und mit einem akzeptablen Nutzen-Risiko-Verhältnis handelt. In jedem Fall muss der Verzicht auf „konkrete“ PMCF/PMPF-Aktivitäten fundiert und nachvollziehbar begründet werden.
Die Ergebnisse eines PMCF/PMPF-Plans müssen in einem PMCF/PMPF-Bericht dokumentiert werden.
Der Leitfaden MDCG 2020-8 bietet eine Anleitung und eine Vorlage für den PMCF-Bericht. Vorlagen für den PMPF-Bericht existieren nicht, weshalb sich IVD-Hersteller auf die Vorlage für den PMCF-Bericht beziehen müssen.
Schliesslich sollten Hersteller für den Fall, dass die Ergebnisse der PMCF/PMPF-Aktivitäten eine Aktualisierung des PMCF/PMPF-Plans erforderlich machen (z.B. andere Arten von allgemeinen/konkreten Aktivitäten, geänderte Studienziele, verlängerte Fristen), in Betracht ziehen, den geänderten PMCF/PMPF-Plan an ihre Benannte Stelle zu melden. Die British Standards Institution beispielsweise hat eine Erklärung veröffentlicht, worin sie ihre Erwartungen darlegt bezüglich der Mitteilung wesentlicher Änderungen in PMCF/PMPF-Plänen vor deren Umsetzung sowie der Auslegung dessen, was solche wesentlichen Änderungen sind.
Wie überschneiden sich PMCF oder PMPF mit PMS?
Die Art der Daten, die im Rahmen der PMS-Aktivitäten proaktiv zu überwachen sind, überschneidet sich mit der Art der Daten, die im Rahmen der PMCF/PMPF-Aktivitäten zu sammeln sind. So wird beispielsweise das proaktive Screening der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur sowohl unter PMS als auch unter PMCF/PMPF aufgeführt.
Aber das ist noch nicht alles: die Beschreibung der “allgemeinen Methoden und Verfahren” für PMCF/PMPF umfasst alle klinischen Erfahrungen, die in der Phase nach dem Inverkehrbringen gesammelt werden, was im Grunde eine vollständige Überschneidung mit der reaktiven Überwachung von PMS-Daten darstellt:.
Wie lässt sich dieses Rätsel lösen?
Es wird nicht empfohlen, die gemeldeten Daten unnötig zu duplizieren, da dies immer eine Quelle potenzieller Inkonsistenzen ist, insbesondere bei späteren Aktualisierungen.
“Reaktive” PMS-Daten sollten immer als PMS-Daten gemeldet werden, da dies der Kern der PMS-Anforderungen in Anhang III der EU-MDR und IVDR sowie im Leitfaden MDCG 2023-21 zur Erstellung eines regelmässigen aktualisierten Berichts über die Sicherheit (PSUR) ist. Die entsprechenden Abschnitte in den PMPF/PMCF-Berichten sollten lediglich einen Querverweis auf den PMS-Bericht oder PSUR mit einer kurzen Schlussfolgerung und Hervorhebung aller für die CER/PER relevanten Erkenntnisse enthalten.
Da es sich bei PMCF/PMPF um die proaktive Sammlung klinischer Daten handelt, um die CER/PER auf dem neuesten Stand zu halten, ist es umgekehrt sinnvoller, “proaktive” PMS-Daten, die sich auf klinische Aspekte beziehen, im PMCF/PMPF-Bericht zu melden und im PMS-Bericht oder PSUR mit einer kurzen Schlussfolgerung darauf zu verweisen. Dies ist umso wichtiger, wenn “konkrete” PMCF/PMPF-Aktivitäten nicht als notwendig erachtet werden.
Wir sollten auch bedenken, dass es “proaktive” PMS-Daten geben kann, die nicht mit klinischen Daten übereinstimmen. Zum Beispiel die Überwachung der Cybersicherheit in der Phase nach der Markteinführung, die Teil der PMS-Aktivitäten sein muss, siehe MDCG 2019-16.
Sind für PMCF oder PMPF immer klinische Studien/Leistungsstudien erforderlich?
Nein. Und das, obwohl es keine spezifischen Leitfäden dazu gibt, wann PMCF/PMPF-Studien gemäss EU-MDR/IVDR verpflichtend sind.
Die MDCG 2020-6 (über ausreichende klinische Daten für “Legacy-Produkte” unter EU-MDR) verweist immer noch auf die alte MEDDEV 2.12/2 (rev.2), die wiederum angibt, dass:
“[The] decision to conduct PMCF studies must be based on the identification of possible residual risks and/or the lack of clarity in long term clinical performance that may impact the benefit/risk ratio of a medical device.”
Nach der alten MEDDEV 2.12/2 können PMCF-Studien “gerechtfertigt sein” im Falle von:
- Neuartige Technologie / wesentliche Änderungen am Produkt
- Unbekannte langfristige Sicherheit oder Leistung / Verzögertes Auftreten von klinischen Ereignissen
- Hohe Risiken (produktbezogen, anatomische Lage, Zielpopulationen)
- Neu identifizierte Risiken (z.B. Wechselwirkungen, nicht untersuchte Subpopulationen, Diskrepanzen in der Lebensdauer)
- Erste CE-Kennzeichnung auf der Grundlage der Gleichwertigkeit
Dies wird von den Benannten Stellen im Rahmen der EU-MDR/IVDR erwartet, auch für “Legacy-Produkte”.
Studien vor vs. nach der Markteinführung als Teil des PMCF/PMPF
Wenn der Hersteller als Teil der PMCF- oder PMPF-Aktivitäten die Durchführung einer Studie in Betracht zieht, ist es wichtig, die Auswirkungen der Art der Studie zu bestimmen. Die Ziele und das Design der Studie bestimmen die Art und den Umfang der regulatorischen Anforderungen.
Die Hersteller müssen insbesondere die folgenden Aspekte berücksichtigen:
- Wird die Studie in Übereinstimmung mit der Gebrauchsanweisung des Produkts (IFU) durchgeführt?
- Beinhaltet die Studie zusätzliche und invasive/belastende Verfahren?
- Wird die Studie in irgendeiner Weise über die Zweckbestimmung hinaus durchgeführt?
Gemäss EU-MDR Art. 74 und IVDR Art. 70, sowie dem Leitfaden MDCG 2021-6 zu klinischen Prüfungen (es gibt bisher noch keinen gleichwertigen Leitfaden unter IVDR):
Kurz gesagt: PMCF/PMPF-Studien, die gemäss IFU durchgeführt werden, sind wesentlich weniger aufwändig als Studien vor dem Inverkehrbringen. Allerdings gibt es innerhalb des EWR nationale Unterschiede, und die Hersteller sollten sich stets bei den örtlichen Behörden nach den spezifischen Anforderungen erkundigen.
Beachten Sie, dass unerwünschte Ereignisse, die während PMCF/PMPF-Studien auftreten, der Vigilanz-Meldepflicht unterliegen im Gegensatz zu Studien vor dem Inverkehrbringen (d.h. als schwerwiegende Vorkommnisse). Dies gilt nicht, “wenn ein Kausalzusammenhang zwischen dem schwerwiegenden unerwünschten Ereignis und dem vorangegangenen Prüfverfahren festgestellt wurde” [Art. 80, Abs. 6 EU-MDR]. In diesem Fall gelten die Anforderungen für die Meldung von unerwünschten Ereignissen in Studien vor dem Inverkehrbringen.
Wie Decomplix helfen kann
Decomplix berät Sie in allen regulatorischen und qualitätssichernden Fragen rund um Medizinprodukte. Wir können Ihr Unternehmen bei der Erfüllung aller PMS- und PMCF/PMPF-Anforderungen im Rahmen der EU-MDR/IVDR unterstützen und die Einhaltung der Vorschriften auf die effizienteste Weise sicherstellen.
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