“Legacy”- Medizinprodukte und -IVDs nach EU-Recht

Die neuen EU-Verordnungen über Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika erlauben es, Produkte, die noch nach den alten EU-Richtlinien CE-gekennzeichnet sind, unter bestimmten Bedingungen weiterhin in Verkehr zu bringen. Solche Produkte werden als “Legacy-Produkte” bezeichnet. Wenn Sie unsicher sind, ob Ihr Medizinprodukt oder In-vitro-Diagnostikum (IVD) als Legacy-Produkt gilt, oder wenn Sie mehr darüber wissen möchten, wie Legacy-Produkte im Rahmen der EU-MDR oder IVDR geregelt sind, lesen Sie weiter.

Ersetzt die Version vom 23.02.2023

Wichtige Erkenntnisse:

  • Wenn Ihr Risikoklasse I-Produkt oder Ihr selbst deklariertes IVD keine Benannten Stelle gemäss der EU-MDR oder IVDR erfordert, so ist es bereits mit der neuen Verordnung konform (es gilt in diesem Fall nicht als Legacy-Produkt.)
  • Veränderungen am Produktdesign oder der Zweckbestimmung führen zum Verlust des “Legacy”-Status. Vergewissern Sie sich, dass Ihr Änderungsmanagement dies berücksichtigt.
  • Die Übergangsfristen für Legacy-Produkte haben sich geändert. Informieren Sie sich in diesem Artikel über die neuesten Fristen und geltenden Bedingungen. Und vergessen Sie nicht, dass ausländische Hersteller für alle Legacy-Produkte, die in der Schweiz verkauft werden, einen Schweizer Bevollmächtigten benötigen.

Inhalt:

Wann gilt ein CE-gekennzeichnetes Produkt (Medizinprodukt oder IVD) als Legacy-Produkt?

Legacy-Medizinprodukte im Sinne der EU-MDR und der IVDR sind Produkte, die nach dem Datum des Inkrafttretens der entsprechenden Verordnung (d.h. dem 26. Mai 2021 für die EU-MDR und dem 26. Mai 2022 für die IVDR) in Verkehr gebracht werden dürfen, vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen in Art. 120 Abs. 3 der EU-MDR bzw. Art. 110 Abs. 3 der IVDR.

Die folgenden Produkte können als “Legacy-Medizinprodukte” eingestuft werden, sofern die Bedingungen in Art. 120 der EU MDR bzw. Art. 110 der IVDR erfüllt sind:

  • Alle Medizinprodukte, die noch über ein gültiges Zertifikat der Benannten Stelle verfügen (ausgestellt gemäss der früheren MDD, AIMDD oder IVDD). 
  • Medizinprodukte (IVD nicht eingeschlossen) mit einem Zertifikat der Benannten Stelle, die vor dem 20. März 2023 abgelaufen ist, und
  • Medizinprodukte, für die nach den früheren Richtlinien keine Benannte Stelle für die CE-Kennzeichnung erforderlich war (d.h. ohne Zertifikat), die aber jetzt nach der EU-MDR oder der IVDR kennzeichnungspflichtig wären, gelten als Legacy-Medizinprodukte.

Dies bedeutet, dass die folgenden Kategorien NICHT als Legacy-Medizinprodukte gelten:

  • Produkte der Klasse I nach der MDD, die auch nach der EU-MDR Produkte der Klasse I bleiben und keinen Einbezug einer Benannten Stelle erfordern. Letzteres ist bei Produkten der Fall, die weder eine Messfunktion haben, noch steril oder chirurgisch wiederverwendbar sind.
  • Selbstdeklarierte (nicht sterile) IVDs gemäss der IVDD, die IVDs (nicht steril) der Klasse A gemäss der IVDR entsprechen.

Beachten Sie, dass Produkte, die zuletzt vor dem Datum des Inkrafttretens der entsprechenden Verordnung in Verkehr gebracht wurden, d.h. vor dem 26. Mai 2021 für die EU MDR und vor dem 26. Mai 2022 für die IVDR, als “Altprodukte” und nicht als “Legacy-Produkte” gelten. Obwohl Altprodukte auf dem Markt lange Zeit im Einsatz bleiben können (z.B. chirurgische Geräte oder Laborzentrifugen für IVD-Tests), unterliegen sie nicht den Anforderungen der EU MDR oder IVDR, mit Ausnahme der Meldung schwerwiegender Vorkommnisse. Weitere Informationen finden Sie im Abschnitt Welche EU-MDR- oder IVDR-Anforderungen gelten für Legacy-Produkte?

An einem Legacy-Medizinprodukt dürfen keine wesentlichen Änderungen vorgenommen werden. Wird an einem Legacy-Medizinprodukt eine wesentliche Änderung vorgenommen, verliert es den Legacy-Status und muss das EU-MDR- bzw. IVDR-Zulassungsverfahren durchlaufen, wobei alle relevanten EU-MDR- bzw. IVDR-Anforderungen erfüllt werden müssen.

Wie sieht es mit Sonderanfertigungen aus?

Nach der Definition in Art. 2 Abs. 3 der EU-MDR ist eine Sonderanfertigung:

“ein Produkt, das speziell gemäss einer schriftlichen Verordnung einer aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Ausstellung von Verordnungen berechtigten Person angefertigt wird, die eigenverantwortlich die genaue Auslegung und die Merkmale des Produkts festlegt, das nur für einen einzigen Patienten bestimmt ist, um ausschliesslich dessen individuelle Zustand und dessen individuellen Bedürfnissen zu entsprechen.” 

Bei Sonderanfertigungen handelt es sich also um Medizinprodukte, deren Produktdesign auf die Bedürfnisse eines bestimmten Patienten zugeschnitten ist (d.h.: keine Massenproduktion). Ein klassisches Beispiel für eine Sonderanfertigung ist eine Gliedmassenprothese, die auf Verordnung einer autorisierten Person (d.h. eines Facharztes wie z.B. eines Orthopäden) hergestellt wird.

Sonderanfertigungen fielen nicht unter die ursprünglichen Übergangsbestimmungen in Art. 120 der EU-MDR. Daher galten sie nicht als Legacy-Medizinprodukte und mussten ab dem 26. Mai 2021 die Anforderungen der EU-MDR erfüllen. Mit der neuen Änderungsverordnung (EU) 2023/607, die die Übergangsfristen in der EU-MDR verlängert, wurde jedoch eine “Schonfrist” für implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III eingeführt, die gemäss Art. 52 Abs. 8 der EU-MDR eine Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems (QMS) durch eine Benannte Stelle benötigen würden. Nach dem neuen EU-MDR-Artikel 120 Abs.3 Ziffer f kann die Zertifizierung bis zum 26. Mai 2026 aufgeschoben werden, sofern der Hersteller bis zum 26. Mai 2024 einen formellen Antrag bei einer Benannten Stelle gestellt und die entsprechende schriftliche Vereinbarung bis zum 26. September 2024 unterzeichnet hat. In der Praxis wird diese neu eingeräumte “Schonfrist” vor allem denjenigen Herstellern zugute kommen, die bereits um den 26. Mai 2021 herum auf die EU-MDR umgestellt und das entsprechende Zertifikat der Benannten Stelle für ihr QMS erhalten hatten.

Obwohl Sonderanfertigungen nicht CE-gekennzeichnet sind, muss ein Hersteller von Sonderanfertigungen die MDR-Anforderungen der EU einhalten. Dazu gehören die Umsetzung von Anhang XIII und die Registrierung in EUDAMED als Akteur, auch wenn die UDI-Anforderungen nicht gelten. Die MDCG 2021-3 enthält Einzelheiten zu den verschiedenen Aspekten der EU-MDR, die ein Hersteller von Sonderanfertigungen beachten muss.

Welche Änderungen führen zum Verlust des Status “Legacy-Produkt”?

Es gibt drei Möglichkeiten, wie Produkte ihren Legacy-Status verlieren können:

  • durch wesentliche Änderungen des Produktdesigns oder der Zweckbestimmung,
  • durch Ablauf der entsprechenden Übergangsfrist in der EU MDR (die unter der Verordnung (EU) 2023/607 verlängert wurde) oder IVDR (die 2022 verlängert wurde),
  • Wenn das gemäss MDD/AIMDD oder IVDD ausgestellte Zertifikat der Benannten Stelle abläuft, bevor das neue Zertifikat gemäss der EU MDR oder IVDR verfügbar ist. Die EU-Kommission hat Ausnahmeregelungen eingeführt, um diese Situation möglichst zu vermeiden.¨

Wesentliche Änderungen

Wenn das Produkt eine wesentliche Änderung am Produktdesign oder bei der Zweckbestimmung erfährt, so verliert es den Legacy-Status, muss das EU-MDR- bzw. IVDR-Zulassungsverfahren durchlaufen und dabei alle relevanten Anforderungen erfüllen.

“Änderung des Produktdesigns” — das mag einfach klingen, aber der Begriff wird in einem weiten Sinn verwendet. Folgende Tabelle zeigt zusammengefasst die Änderungen, die in den Leitliniendokumenten genannt werden (MDCG 2020-3 und MDCG 2022-6 zur Bewertung der Signifikanz von Änderungen):

MDR

IVDR

Änderung der Zweck­bestimmung

Änderung der Zweck­bestimmung

Änderung im Zusammen­hang mit einer Korrektur­massnahme

keine Angabe *

Änderung von Leistungs- oder Produkt­design­spezifi­kationen

Änderung von Leistungs- oder Produkt­design­spezifi­kationen

Software­änderungen

Software­änderungen

Material­änderungen

Material­änderungen

Änderung der terminalen Sterili­sations­methode oder des Verpackungs­designs mit Auswir­kungen auf die Sterili­sation

Änderung der terminalen Sterili­sations­methode oder des Verpackungs­designs mit Auswir­kungen auf die Sterili­sation

* Änderungen des Produktdesigns in Folge von Korrekturmassnahmen gelten als nicht wesentlich, solange die Änderung aus Sicht von Art. 110 Abs. 3 IVDR nicht wesentlich ist und die Änderung von der zuständigen Behörde bewertet und akzeptiert wurde.

Weitere Einzelheiten zu wesentlichen Änderungen im Rahmen der EU-MDR finden Sie in unserem Blog-Artikel MDCG-Guidance zu wesentlichen Änderungen bei Medizinprodukten.

Legacy-Medizinprodukt

Wenn das Produkt eine wesentliche Änderung am Produktdesign oder bei der Zweckbestimmung erfährt, so verliert es den Legacy-Status.

Übergangsfristen

Für Legacy-Produkte wurden die nachstehenden Übergangsfristen für die Umstellung der CE-Kennzeichnung von den früheren Richtlinien auf die EU-MDR bzw. IVDR gewährt:

  • Für Medizinprodukte (exkl. IVD) mit einem gültigen Zertifikat, gemäss EU MDR Art. 120 Abs. 3 Ziffer a:
    • 31. Dezember 2027 für Produkte der Klasse III und implantierbare Produkte der Klasse IIb (ausser Nahtmaterial, Klammern, Zahnfüllungen, Zahnspangen, Zahnkronen, Schrauben, Keile, Platten, Drähte, Stifte, Clips und Verbindungsstücke).
    • 31. Dezember 2028 für andere Produkte der Klasse IIb, der Klasse IIa und der Klasse Is/m.
    • Für die Zwecke dieser Fristen gilt die (künftige) Einstufung gemäss Anhang VIII der EU-MDR.
    • Zu den Bedingungen, die in Art. 120 Abs. 3 Ziffer c der EU MDR aufgeführt sind, gehören: 
      • Das Produkt entspricht weiterhin der Richtlinie 90/385/EWG bzw. der Richtlinie 93/42/EWG,
      • kein unannehmbares Risiko für Gesundheit und Sicherheit, 
      • keine wesentlichen Änderungen am Produktdesign und der Zweckbestimmung,
      • das QMS des Herstellers gemäss EU MDR Art. 10 Abs. 9 ist bis spätestens 26. Mai 2024 eingerichtet,
      • Nachweis eines förmlichen Antrags bei einer Benannten Stelle für den Übergang zur EU-MDR bis zum 26. Mai 2024 und Unterzeichnung der schriftlichen Vereinbarung mit der Benannten Stelle bis spätestens zum 26. September 2024.
  • Für Medizinprodukte (exkl. IVD), für die nach der MDD keine Benannte Stelle erforderlich war (z.B. Produkte der Klasse I und des Anhangs XVI der EU-MDR) und für die dies nach der EU-MDR erforderlich ist: bis zum 31. Dezember 2028.
  • Gemäss Art. 120 Abs. 2 der EU-MDR wurden für Medizinprodukte mit einer vor dem 20. März 2023 abgelaufenen Zertifikat die gleichen Übergangsfristen wie für Medizinprodukte mit einem gültigen Zertifikat gewährt, sofern eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
    • Es wurde bereits vor Ablauf des Zertifikats eine schriftliche Vereinbarung mit der Benannten Stelle für den Übergang auf die EU-MDR unterzeichnet, oder
    • eine zuständige Behörde hat eine Ausnahmegenehmigung gemäss Art. 59 Abs. 1 der EU-MDR erteilt, oder
    • eine zuständige Behörde hat den Hersteller aufgefordert, das geltende EU-MDR-Konformitätsbewertungsverfahren gemäss Art. 97 Abs. 1 der EU-MDR durchzuführen. 

Weitere Informationen über abgelaufene Zertifikate finden Sie weiter unten.

  • Wie bereits erwähnt, können implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III, die gemäss der EU-MDR ein von einer Benannten Stelle ausgestelltes QMS-Zertifikat benötigen, gemäss Art. 120 Abs. Ziffer f der EU-MDR bis zum 26. Mai 2026 ohne ein solches Zertifikat auf dem Markt bleiben, sofern bis zum 26. Mai 2024 ein förmlicher Antrag bei einer Benannten Stelle gestellt und die schriftliche Vereinbarung mit der Benannten Stelle bis spätestens 26. September 2024 unterzeichnet wurde.
  • Für IVDs gelten zwei unterschiedliche Situationen:
    • Für Legacy-IVDs mit einem Zertifikat einer Benannten Stelle nach der IVDD gemäss Art. 110 Abs. 3 Ziffer 2 der IVDR: bis zum Ablauf des Zertifikats, spätestens jedoch bis zum 26. Mai 2025.
    • Für Legacy-IVDs ohne Zertifikat einer Benannten Stelle nach der IVDD, gemäss IVDR Art. 110 Abs. 3 Ziffer 3:
      • (a) 26. Mai 2025 für IVDs, die nach der IVDR in die Klasse D fallen
      • (b) 26. Mai 2026 für IVD, die nach der IVDR zur Klasse C werden
      • (c) 26. Mai 2027 für IVD, die nach der IVDR zur Klasse B werden
      • (d) 26. Mai 2027 für IVDs, die gemäss der IVDR zur Klasse A werden.

Darüber hinaus wurden im Rahmen der Änderungsverordnung (EU) 2023/607 zur Entschärfung des Engpasses beim Übergang zur EU-MDR und IVDR die Abverkaufsbestimmungen sowohl in der EU-MDR als auch in der IVDR (d.h. im Wesentlichen ein Jahr nach Ablauf der jeweiligen Übergangsfrist für die Aktualisierung der CE-Kennzeichnung) gestrichen, so dass die Bestände an Legacy-Produkten bei den Händlern auf unbestimmte Zeit über das Ende der jeweiligen Übergangsfrist hinaus verkauft werden können.

Mit den Änderungen, die durch die Verordnung (EU) 2023/607 eingeführt wurden, werden Legacy-IVDs viel früher auf die neue Verordnung umgestellt als Legacy-Medizinprodukte. Weitere Änderungen der Übergangsfristen in der IVDR sind zu erwarten.

Die nachstehenden Infografiken fassen die neuen Fristen im Rahmen der EU MDR und IVDR zusammen:

 

Abgelaufene Zertifikate

Grundsätzlich dürfen Legacy-Produkte mit einem Zertifikat einer Benannten Stelle nicht mehr in Verkehr gebracht werden, wenn dieses Zertifikat abgelaufen ist. Der Hersteller hätte die erforderlichen Massnahmen ergreifen müssen, um einen rechtzeitigen Übergang zur EU-MDR bzw. IVDR zu gewährleisten. Allerdings haben in der Praxis der Mangel und die geringe Kapazität der Benannten Stellen zu langen Wartezeiten geführt und bei einigen Herstellern eine “Bescheinigungslücke” entstehen lassen. Aus diesem Grund wurden Änderungen an den ursprünglichen Anforderungen vorgenommen.

Um grössere Unterbrechungen bei der Versorgung mit Medizinprodukten in Europa zu vermeiden, werden mehrere Massnahmen ergriffen. Es geht darum, die Zertifizierung zu beschleunigen, insbesondere im Rahmen der EU-MDR, die am weitesten fortgeschritten ist. U.a. wird in MDCG 2022-18 beschrieben, wie die zuständigen Behörden den Artikel 97 der EU MDR auf abgelaufene Zertifikate anwenden sollen. Artikel 97 ermöglicht die ausserordentliche und befristete Genehmigung von nichtkonformen Produkten durch die zuständige Behörde eines bestimmten EU-Mitgliedstaats. Die Ausnahmeregelung sollte 12 Monate nicht überschreiten, es sei denn, sie ist hinreichend begründet. Dieses Dokument ist im Zusammenhang mit der Änderungsverordnung (EU) 2023/607 zu lesen, die die Übergangsfristen in der EU-MDR verlängert. Es stellt eine Ergänzung zu anderen ähnlichen EU-Massnahmen dar, die im Jahr 2022 veröffentlicht wurden, dies sind MDCG 2022-17 zu hybriden Audits, MDCG 2022-15 zur Überwachung der Übergangsbestimmungen für die IVDR und MDCG 2022-14 zum Übergang zur EU MDR und IVDR.

Weiter ermöglicht die Änderungsverordnung (EU) 2023/607, dass bereits abgelaufene AIMDD- und MDD- Zertifikate wieder gültig sind und dies bis zum Ende der oben beschriebenen neuen Übergangsfristen bleiben, wenn: 

  • vor Ablauf des Zertifikats bereits eine schriftliche Vereinbarung mit der Benannten Stelle für den EU MDR-Übergang unterzeichnet wurde, oder
  • eine zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung erteilt hat, oder
  • eine zuständige Behörde den Hersteller aufgefordert hat, das geltende EU-MDR-Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen.

Darüber hinaus gelten für diese abgelaufenen Zertifikate die gleichen Bedingungen wie in der neuen EU-MDR Art. 120 Abs. 3 Ziffer c.

Diese neu gewährte Verlängerung der Gültigkeit bedeutet, dass die “Bescheinigungslücke” länger als die in der MDCG 2022-18 vorgeschlagenen 12 Monate dauern darf. Der Grund dafür ist, dass die MDCG 2022-18 eine vorübergehende Massnahme war, um die Zeit zu überbrücken, bis die Verlängerung der Übergangsbestimmungen in der europäischen Gesetzgebung umgesetzt ist.

Welche EU-MDR- oder IVDR-Anforderungen gelten für Legacy-Produkte?

Die Bestimmungen der EU-MDR und der IVDR, die für Legacy-Produkte gelten, sind in den entsprechenden Übergangsbestimmungen aufgeführt. Näher erläutert werden sie zudem in den Leitliniendokumenten MDCG 2021-25 (für die EU-MDR) und MDCG 2022-8 (für die IVDR), wo es nützliche Tabellen für die wichtigsten Artikel gibt. Kurz gesagt, die Pflichten, die für Legacy-Produkte gelten, betreffen die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Marktüberwachung (d.h. durch die zuständigen nationalen Behörden), die Vigilanz sowie die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten.

Alle Produkte, die auf dem Markt sind, müssen dem Stand der Technik entsprechen durch Sicherstellung der Konformität mit allen gelten Normen und Vorschriften.

Überwachung nach dem Inverkehrbringen und Vigilanz

Die wichtigste Anforderung für Legacy-Produkte ist wahrscheinlich die Überwachung nach dem Inverkehrbringen. Um die MDR/IVDR zu erfüllen, erfordert die Überwachung nach dem Inverkehrbringen eine systematische und proaktive Sammlung von Daten über die Sicherheit und Leistung des Produkts. Die MDR und IVDR der EU verlangen auch den sog. Regelmässig aktualisierter Bericht über die Sicherheit (engl. PSUR).

Plan zur Überwachung nach dem Inverkehr-bringen (PMSP)

MDR

Erforderlich für alle Legacy-Medizin­produkte. Zu struk­tur­ieren gemäss EU MDR Anhang III, Abschnitt 1.

IVDR

Erfor­derlich für alle Legacy-VDs. Zu struk­tu­rieren gemäss IVDR Anhang III, Abschnitt 1.

Bericht über die Über­wachung nach dem Inverkehr­bringen (PMSR)

MDR

Erfor­derlich für Legacy-Medizin­produkte der Klasse I – wird bei Bedarf aktua­lisiert*.

IVDR

Erfor­derlich für alle Legacy-IVDs.*

Regel­mässig aktual­isierter Bericht über die Sicher­heit (PSUR)

MDR

Erfor­derlich für Legacy-Medizin­produkte der Klassen IIa, IIb und III – mindes­tens jähr­liche Aktua­lisie­rung. Zu struk­tu­rieren unter Berück­sich­tigung der MDCG 2022-21.*

IVDR

Nicht anwend­bar für Legacy-IVDs.

Plan für Folge­mass­nahmen nach dem Inver­kehr­bringen (PMCFP)

MDR

Falls zutref­fend, ent­sprechend den Schluss­fol­ge­rungen des kli­nischen Bewer­tungs­berichts. Wird im PMSP mit Quer­verweisen ver­sehen und zusammen­gefasst und unter Berück­sich­tigung der MDCG 2020-7 strukturiert.

IVDR

Falls zutref­fend, ent­spre­chend den Schluss­fol­ge­rungen des Leistungs­be­wer­tungs­berichts. Wird im PMSP mit Quer­verweisen ver­sehen und zusammen­gefasst und unter Berück­sich­tigung der MDCG 2020-7 struk­turiert.

Bericht über Folge­mass­nahmen nach dem Inver­kehr­bringen (PMCFR)

MDR

Falls als zutref­fend erachtet. Wird im PMSP oder PSUR mit Quer­ver­weisen versehen und zusammen­gefasst und unter Berück­sich­tigung der MDCG 2020-8 struk­turiert.

IVDR

Falls als zutref­fend erachtet. Wird im PMSP oder PSUR mit Quer­ver­weisen versehen und zusammen­gefasst und unter Berück­sich­tigung der MDCG 2020-8 struk­turiert.

Vigilanz-Meldungen

Gemäss EU MDR Artikel 87 oder IVDR Artikel 82:

  • Ernst­hafte Bedro­hung der öffent­lichen Gesund­heit: Nicht später als 2 Tage.

  • Tod oder schwer­wie­gende Ver­schlech­te­rung des Gesund­heits­zu­stands: Nicht später als 10 Tage.

  • Andere schwer­wie­gende Vor­fälle: Nicht später als 15 Tage.

  • Jede Sicher­heits­korrektur­massnahme im Feld (ein­schliess­lich der­jenigen, die im Ausland auf­treten und Produkte betreffen, die im EWR bereit­gestellt werden)

Trend­bericht­erstattung, gemäss EU MDR Artikel 88 oder IVDR Artikel 83.

* Eine vollständige Überarbeitung der technischen Unterlagen gemäss den Anhängen II und III ist jedoch nicht erforderlich.

Beachten Sie, dass für “Altprodukte”, wie unter Wann gilt ein CE-gekennzeichnetes Produkt (Medizinprodukt oder IVD) als Legacy-Produkt? beschrieben, die Meldung schwerwiegender Vorkommnisse gemäss der EU-MDR oder IVDR gilt. Eine solche Meldung erfordert eine spezielle EUDAMED-Registrierung des Altproduktherstellers, wie in Frage 5 des Leitliniendokuments MDCG 2021-13 beschrieben.

Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten

Hersteller von Legacy-Produkten müssen sich innerhalb von 18 Monaten nach dem Datum der Anwendung der EU-MDR als Akteure in EUDAMED registrieren lassen. (Wenn EUDAMED vor dem Datum der Anwendung nicht voll funktionsfähig ist, 24 Monate nach dem Datum der Veröffentlichung der Bekanntmachung gemäss Art. 24 Abs. 3 der EU-MDR.)

Die Legacy-Produkte selber müssen auch in EUDAMED registriert werden (siehe MDCG 2019-5). Wenn diese Produkte nicht über eine Basis-UDI-DI oder eine UDI-DI verfügen, müssen sie eine EUDAMED-DI (anstelle der Basis-UDI-DI) und eine EUDAMED-ID (anstelle der UDI-DI) haben. Wenn diese Produkte dann in die EU-MDR- oder IVDR-CE-Kennzeichnung überführt werden, sollten Verknüpfungen zwischen den jeweiligen Registrierungen hergestellt werden.

Verwandte Verpflichtungen der Wirtschaftsakteure

Anforderungen der EU-MDR oder der IVDR, die sich nicht auf die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Marktüberwachung, die Vigilanz, die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten beziehen, sollten für Wirtschaftsakteure in Bezug auf Legacy-Produkte grundsätzlich nicht gelten. In diesem Zusammenhang wird in den Leitliniendokumenten MDCG 2021-25 (zur EU-MDR) und MDCG 2022-8 (zur IVDR) die Auffassung vertreten, dass die entsprechenden Bestimmungen in den Kapiteln, die die Pflichten der Wirtschaftsakteure betreffen, als anwendbar betrachtet werden sollten, nämlich:

  • für Hersteller gemäss der EU-MDR: Art. 10 Abs. 10 und Art. 10 Abs 12 bis 15;
  • für Hersteller im Rahmen der IVDR: Art. 10 Abs. 9 und Art. 10 Abs. 11 bis 10 Abs 14;
  • für Bevollmächtigte: Art. 11 Abs. 3 Buchstaben c) bis g);
  • für Importeure: Art. 13 Abs. 2 Unterabsatz 2, Art. 13 Abs. 4, Art. 13 Abs. 6 bis 8 und Art. 13 Abs. 10; 
  • für Händler: Art. 14 Abs. 2 letzter Unterabsatz und Art. 14 Abs. 4 bis 6.
Mann an einem Meeting zum Thema Legacy Medical Devices

Um die MDR/IVDR zu erfüllen, erfordert die Überwachung nach dem Inverkehrbringen eine systematische und proaktive Sammlung von Daten über die Sicherheit und Leistung des Produkts.

Brauchen Hersteller von Legacy-Produkten einen PRRC?

Die Person, die für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich ist (PRRC für Person Responsible for Regulatory Compliance), ist eine neue Anforderung, die in Artikel 15 der EU-MDR und IVDR eingeführt wurde. Wenn Sie mehr über die Rolle des PRRC erfahren möchten, lesen Sie bitte Die Rolle des PRRC in der MDR, die auch auf die IVDR übertragen werden kann.

Artikel 15 ist nicht als Teil der EU-Übergangsbestimmungen zur MDR und IVDR für Legacy-Produkte aufgeführt. Dies wird auch in den Leitliniendokumenten MDCG 2021-25 und MDCG 2022-8 bestätigt, in denen Artikel 15 als Beispiel für Bestimmungen angeführt wird, die nicht für Legacy-Produkte gelten.

Wann gelten Behandlungseinheiten und Systeme als “Legacy-Produkte”?

Systeme und Behandlungseinheiten gelten als Legacy-Produkte, wenn sie nur aus Legacy-Produkten bestehen und wenn für sie vor dem 26. Mai 2021 eine Erklärung gemäss Art. 12 der MDD erstellt wurde.

Sobald eine Komponente des Systems oder der Behandlungseinheit die CE-Kennzeichnung gemäss der EU-MDR oder IVDR erhält, verliert das gesamte System bzw. die gesamte Behandlungseinheit seinen Legacy-Status. Alle Legacy-Produkte, die in einem EU-MDR-System oder einer -Behandlungseinheit enthalten sind, fallen jedoch unter die Übergangsbestimmungen von Art. 120 Abs. 3 der EU-MDR bzw. Art. 110 Abs. 3 der IVDR.

Was ist bei Legacy-Produkten in der Schweiz speziell zu beachten?

Die Schweiz gilt seit dem 26. Mai 2021 als Drittland im Sinne der EU-MDR und seit dem 26. Mai 2022 im Sinne der IVDR. Die schweizerische Gesetzgebung wurde entsprechend angepasst, sie erkennt aber die CE-Kennzeichnung gemäss der EU-MDR unter der Schweizer Medizinprodukteverordnung (MepV, SR 812.213) an. Analog anerkennt sie die CE-Kennzeichnung gemäss der IVDR unter der Schweizer In-vitro-Diagnostika-Verordnung (IvDV, SR 812.219).

Somit haben “Legacy-Produkte” und “Altprodukte” die gleiche Bedeutung und Auswirkung wie unter der EU MDR und IVDR. Da die schweizerische Gesetzgebung im Wesentlichen auf die entsprechenden Bestimmungen der EU-MDR und IVDR verweist, müssen die jüngsten Aktualisierungen zur Ausweitung ihrer Übergangsbestimmungen in die MepV bzw. IvDV übernommen werden.

Kurz gesagt, die Anforderungen für Legacy-Produkte sind in der Schweiz die gleichen wie in der EU. Da die Schweiz nun jedoch ein Drittland ist, benötigen alle Legacy-Produkte von Herstellern mit Sitz ausserhalb der Schweiz einen Schweizer Bevollmächtigten, der seit dem 26. Mai 2021 für Medizinprodukte und dem 26. Mai 2022 für IVDs eine neue Rolle als Wirtschaftsakteur spielt. Darüber hinaus werden alle Schweizer Unternehmen, die Produkte aus dem Ausland in die Schweiz einführen und im Land weiterliefern, de facto zu Schweizer Importeuren und müssen neue Pflichten im Rahmen der MepV und IvDV erfüllen. Diese Anforderungen gelten unabhängig vom Status des Legacy-Produkts oder der Übergangsfrist des Produkts.

Swissmedic hat im Januar 2023 ein Infoblatt zur Anwendung der MDCG 2022-18 für abgelaufene Zertifikate in der Schweiz veröffentlicht. Darin wird darauf hingewiesen, dass die schriftliche Mitteilung einer zuständigen Behörde nach Art. 97 als Nachweis dafür akzeptiert wird, dass eine Bewertung nach MDCG_2022-18 durchgeführt und eine Frist zur Wiederherstellung der Konformität amtlich gewährt wurde, und dass eine ähnliche/weitere Bewertung in der Schweiz nicht erforderlich ist. Bei ausländischen Herstellern legt Swissmedic die Beweislast für die Erteilung der Mitteilung dem Schweizer Bevollmächtigten auf. Liegt keine schriftliche Mitteilung einer zuständigen Behörde vor und sind in der EU keine verlängerten Übergangsfristen für abgelaufene Zertifikate in Kraft, muss der Schweizer Bevollmächtigte die “Bescheinigungslücke” an Swissmedic melden, die den Antrag gemäss MDCG_2022-18 beurteilt und eine entsprechende Mitteilung erstellt.

Weitere Informationen über die Rollen der Wirtschaftsakteure in der Schweiz finden Sie in den Blog-Artikeln Schweizer Bevollmächtigter für Medizinproduktehersteller und Schweizer Importeure von Medizinprodukten – rechtliche Anforderungen.

Wie Decomplix helfen kann

Decomplix berät Sie in allen regulatorischen und Qualitätsmanagement-Fragen rund um Medizinprodukte, mit besonderem Fokus auf den Schweizer Markt und die CE-Zertifizierung
Wir können Ihr Unternehmen dabei unterstützen, alle Anforderungen der EU-MDR oder IVDR zu erfüllen und die Konformität auf die effizienteste Art und Weise sicherzustellen. Wenn Sie Ihre Anliegen mit uns besprechen möchten, können Sie uns hier für ein unverbindliches Angebot zur CE-Zertifizierung kontaktieren.

Darüber hinaus bieten wir Dienstleistungen als Schweizer Bevollmächtigter nach MepV und IvDV. Unsere Dienstleistungen umfassen Anleitungen und Checklisten, damit Sie die geltenden Anforderungen verstehen. Wenn Sie sich dafür interessieren, können Sie über dieses Formular Kontakt mit uns aufnehmen.

Weiterlesen

Weitere Artikel