“Legacy”-Medizinprodukte und -IVD nach EU-Regulierung

Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika (IVD), die noch nach den alten EU-Richtlinien CE-gekennzeichnet sind, können unter gewissen Bedingungen der neuen EU-Verordnungen weiterhin in Verkehr gebracht werden. Solche Produkte werden als “Legacy-Produkte” bezeichnet.
Wenn Sie unsicher sind, ob Ihr Produkt als Legacy-Produkt gilt, oder wenn Sie mehr darüber wissen möchten, wie Legacy-Produkte im Rahmen der EU-MDR oder IVDR geregelt sind, lesen Sie weiter.

Ersetzt die Version vom Juli 2024

Wichtige Erkenntnisse:

  • Wenn Ihr Produkt der Risikoklasse I oder Ihr selbst deklariertes IVD keine Benannte Stelle gemäss der EU-MDR oder IVDR erfordert, muss es bereits mit der neuen Verordnung konform sein (es gilt in diesem Fall nicht als Legacy-Produkt).
  • Veränderungen am Produktdesign oder der Zweckbestimmung führen zum Verlust des “Legacy”-Status. Vergewissern Sie sich, dass Ihr Änderungsmanagement dies berücksichtigt.
  • Die Übergangsfristen für Legacy-Produkte haben sich geändert. Informieren Sie sich in diesem Artikel über die neusten Fristen und geltenden Bedingungen. Und vergessen Sie nicht, dass ausländische Hersteller für alle Legacy-Produkte, die in der Schweiz verkauft werden, einen Schweizer Bevollmächtigten benötigen.

Inhalt:

Wann gilt ein CE-gekennzeichnetes Produkt (Medizinprodukt oder IVD) als Legacy-Produkt?

Legacy-Produkte im Sinne der EU-MDR und der IVDR sind Produkte, die nach den früheren Richtlinien (MDD, AIMDD oder IVDD) mit der CE-Kennzeichnung versehen wurden und die nach dem Datum des Inkrafttretens der neuen Verordnungen (d.h. dem 26. Mai 2021 für die EU-MDR und dem 26. Mai 2022 für die IVDR) in Verkehr gebracht werden dürfen. Voraussetzung ist, dass die folgenden Punkte der Übergangsbestimmungen erfüllt sind  [Art. 120 Abs. 3 EU-MDR bzw. Art. 110 Abs. 3 IVDR].

Gewisse Legacy-Produkte können nun von verlängerten Übergangsfristen profitieren, sofern die Bedingungen in Artikel 120 der EU-MDR oder Artikel 110 der IVDR für jeden einzelnen Fall erfüllt sind. Betroffen sind:

  • Alle Produkte, mit einer gültigen Bescheinigung einer Benannten Stelle (gemäss der früheren MDD, AIMDD oder IVDD), die ausgestellt wurde, bevor die EU-MDR bzw. IVDR in Kraft getreten ist, 
  • Produkte (exklusive IVD) mit einer Bescheinigung einer Benannten Stelle (gemäss MDD/AIMD), die vor dem 20. März 2023 abgelaufen ist,
  • IVD mit einer Bescheinigung einer Benannten Stelle (gemäss IVDD), die vor dem 9. Juli 2024 abgelaufen ist,
  • Alle Produkte, die nach den früheren Richtlinien keine Bescheinigung einer Benannten Stelle benötigten, gemäss EU-MDR bzw. IVDR hingegen schon. D.h. Klasse I Medizinprodukte, Anhang XVI Produkte sowie selbst deklarierte IVD.

Dies bedeutet, dass die folgenden Kategorien NICHT als Legacy-Produkte gelten:

  • Produkte der Klasse I nach der MDD, die auch nach der EU-MDR Produkte der Klasse I bleiben und keinen Einbezug einer Benannten Stelle erfordern. Letzteres ist bei Produkten der Fall, die weder eine Messfunktion haben, noch steril oder chirurgisch wiederverwendbar sind.
  • Selbstdeklarierte (nicht sterile) IVD gemäss der IVDD, die IVD (nicht steril) der Klasse A gemäss der IVDR entsprechen.

Beachten Sie, dass Produkte, die vor dem Datum des Inkrafttretens der EU-MDR bzw. IVDR in Verkehr gebracht wurden (26. Mai 2021 bzw. 26. Mai 2022), als “Altprodukte” und nicht als “Legacy-Produkte” gelten. Obwohl Altprodukte auf dem Markt lange Zeit im Einsatz bleiben können (z.B. chirurgische Geräte oder Laborzentrifugen für IVD-Tests), unterliegen sie nicht den Anforderungen der EU-MDR bzw. IVDR, mit Ausnahme der Meldung schwerwiegender Vorkommnisse. Weitere Informationen finden Sie im Abschnitt Welche EU-MDR- oder IVDR-Anforderungen gelten für Legacy-Produkte?

Es gibt drei Situationen, in denen Legacy-Produkte ihren Legacy-Status verlieren können:

Wie sieht es mit Sonderanfertigungen aus?

Die EU-MDR [Art. 2 Abs. 3] definiert eine Sonderanfertigung als:

“ein Produkt, das speziell gemäss einer schriftlichen Verordnung einer aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Ausstellung von Verordnungen berechtigten Person angefertigt wird, die eigenverantwortlich die genaue Auslegung und die Merkmale des Produkts festlegt, das nur für einen einzigen Patienten bestimmt ist, um ausschliesslich dessen individuelle Zustand und dessen individuellen Bedürfnissen zu entsprechen.” 

Bei Sonderanfertigungen handelt es sich also um Medizinprodukte, deren Produktdesign auf die Bedürfnisse eines bestimmten Patienten zugeschnitten ist (d.h.: keine Massenproduktion). Ein klassisches Beispiel für eine Sonderanfertigung ist eine Gliedmassenprothese, die auf Verordnung einer autorisierten Person (z.B. eines Orthopäden) hergestellt wird.

«Hersteller von Sonderanfertigungen müssen die Anforderungen der EU-MDR einhalten, auch wenn keine Zertifizierung erforderlich ist»

Sonderanfertigungen fielen nicht unter die ursprünglichen Übergangsbestimmungen in Art. 120 der EU-MDR. Daher galten sie nicht als Legacy-Medizinprodukte und mussten ab dem 26. Mai 2021 die Anforderungen der EU-MDR erfüllen. Mit der Änderungsverordnung (EU) 2023/607, die die Übergangsfristen in der EU-MDR verlängert, wurde jedoch eine “Schonfrist” für implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III eingeführt, die eine Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems (QMS) durch eine Benannte Stelle benötigen würden [Art. 52 Abs. 8]. Gemäss dem neuen EU-MDR-Artikel 120 Abs. 3 Ziffer f kann die Zertifizierung bis zum 26. Mai 2026 aufgeschoben werden, sofern der Hersteller bis zum 26. Mai 2024 einen formellen Antrag bei einer Benannten Stelle gestellt und die entsprechende schriftliche Vereinbarung bis zum 26. September 2024 unterzeichnet hat. In der Praxis wird diese “Schonfrist” vor allem denjenigen Herstellern zugute kommen, die bereits um den 26. Mai 2021 herum auf die EU-MDR umgestellt und die entsprechende Bescheinigung der Benannten Stelle für ihr QMS erhalten hatten.

Obwohl Sonderanfertigungen nicht CE-gekennzeichnet sind, muss ein Hersteller von Sonderanfertigungen die Anforderungen der EU-MDR einhalten. Dazu gehören die Umsetzung von Anhang XIII und die Registrierung in EUDAMED als Akteur, auch wenn die UDI-Anforderungen nicht gelten. Die MDCG 2021-3 enthält Einzelheiten zu den verschiedenen Aspekten, die ein Hersteller von Sonderanfertigungen beachten muss.

Was ist eine “wesentliche Änderung” nach EU-MDR und IVDR?

Wenn das Produkt eine wesentliche Änderung des Produktdesigns oder der Zweckbestimmung erfährt, so verliert es den Legacy-Status und muss eine Zertifizierung durchlaufen sowie alle relevanten Anforderungen erfüllen.

“Änderung des Produktdesigns” — das mag einfach klingen, aber der Begriff wird in einem weiten Sinn verwendet.
Folgende Liste zeigt zusammengefasst die Änderungen, die in den Leitfäden genannt werden (MDCG 2020-3 und MDCG 2022-6 zur Bewertung der Signifikanz von Änderungen):

  • Änderungen im Zusammenhang mit einer Korrekturmassnahme, es sei denn, sie wurden von der zuständigen Behörde am Sitz des Herstellers oder seines EC-REP geprüft und akzeptiert.
  • Änderungen der Zweckbestimmung des Produkts, z.B. Erweiterungen, neue Anwender/Patientengruppen, neue Art der klinischen Anwendung.
  • Änderungen der Produktauslegung, die den eingebauten Kontrollmechanismus, das Funktionsprinzip, die Energiequelle oder Alarmsysteme verändern, sowie alle Änderungen, die die Sicherheit oder Leistung beeinträchtigen und sich negativ auf das Risiko-Nutzen-Verhältnis auswirken können.
  • Die meisten Softwareänderungen.
  • Bestimmte Änderungen an Materialien oder Substanzen von Medizinprodukten oder IVD-Bestandteilen.
  • Änderungen der Methode zur Endsterilisation oder des Verpackungsdesigns mit Auswirkungen auf den sterilen Zustand des Produkts.

Wenn das Produkt eine wesentliche Änderung am Produktdesign oder bei der Zweckbestimmung erfährt, so verliert es den Legacy-Status.

Weitere Einzelheiten zu wesentlichen Änderungen im Rahmen der EU-MDR finden Sie in unserem Blog-Artikel “Wesentliche Änderungen bei Medizinprodukten und IVD gemäss EU-MDR/IVDR”.

Welche Übergangsfristen und -bedingungen gelten für Legacy-Produkte?

Für Legacy-Produkte wurden die nachstehenden Übergangsfristen für die Umstellung der CE-Kennzeichnung von den früheren Richtlinien auf die EU-MDR bzw. IVDR gewährt:

Für Medizinprodukte mit einer gültigen Bescheinigung:

  • 31. Dezember 2027 für Produkte der Klasse III und implantierbare Produkte der Klasse IIb (ausser Nahtmaterial, Klammern, Zahnfüllungen, Zahnspangen, Zahnkronen, Schrauben, Keile, Platten, Drähte, Stifte, Clips und Verbindungsstücke).
  • 31. Dezember 2028 für andere Produkte der Klasse IIb, der Klasse IIa und der Klasse Is/m.

Für die Zwecke dieser Fristen gilt die (künftige) Einstufung gemäss Anhang VIII der EU-MDR.

Zu den Bedingungen, die in Art. 120 Abs. 3c der EU-MDR aufgeführt sind, gehören: 

  • Das Produkt entspricht weiterhin der Richtlinie 90/385/EWG bzw. der Richtlinie 93/42/EWG,
  • kein unannehmbares Risiko für Gesundheit und Sicherheit, 
  • keine wesentlichen Änderungen am Produktdesign und der Zweckbestimmung,
  • das QMS des Herstellers gemäss EU MDR Art. 10 Abs. 9 ist bis spätestens 26. Mai 2024 eingerichtet,
  • Nachweis eines Antrags bei einer Benannten Stelle für den Übergang zur EU-MDR bis zum 26. Mai 2024 und Unterzeichnung der schriftlichen Vereinbarung mit der Benannten Stelle bis spätestens zum 26. September 2024.

Für Medizinprodukte, für die nach MDD keine Benannte Stelle erforderlich war (z.B. Produkte der Klasse I und des Anhangs XVI der EU-MDR) und für die dies nach EU-MDR erforderlich ist: bis zum 31. Dezember 2028, unter denselben Bedingungen wie oben aufgeführt [EU MDR Art. 120 Abs. 3b].

Für Medizinprodukte mit einer vor dem 20. März 2023 abgelaufenen Bescheinigung wurden die gleichen Übergangsfristen gewährt wie für Medizinprodukte mit einer gültigen Bescheinigung [Art. 120 Abs. 2 EU-MDR], sofern eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

  • Es wurde bereits vor Ablauf der Bescheinigung eine schriftliche Vereinbarung mit der Benannten Stelle für den Übergang auf die EU-MDR unterzeichnet, oder
  • eine zuständige Behörde hat vor dem 20. März 2023 eine Ausnahmegenehmigung gemäss Art. 59 Abs. 1 EU-MDR erteilt, oder
  • eine zuständige Behörde hat den Hersteller aufgefordert, das geltende EU-MDR-Konformitätsbewertungsverfahren gemäss Art. 97 Abs. 1 EU-MDR durchzuführen.

Wie bereits erwähnt, können implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III, die eine von einer Benannten Stelle ausgestellte QMS-Bescheinigung benötigen, bis zum 26. Mai 2026 ohne eine solche Bescheinigung auf dem Markt bleiben, sofern bis zum 26. Mai 2024 ein förmlicher Antrag bei einer Benannten Stelle gestellt und die schriftliche Vereinbarung mit der Benannten Stelle bis zum 26. September 2024 unterzeichnet wurde [Art. 120 Abs. 3f EU-MDR].

Für selbst deklarierte IVD gemäss IVDD (d.h. ohne Bescheinigung einer Benannten Stelle):

  • 31. Dezember 2027 für Klasse D IVD.
  • 31. Dezember 2028 für Klasse C IVD.
  • 31. Dezember 2029 für Klasse B und Klasse A Steril IVD.

Für die Zwecke dieser Fristen gilt die (künftige) Einstufung gemäss Anhang VIII IVDR.

Für IVD mit gültiger Bescheinigung gemäss IVDD:

  • Dezember 2027.

Zu den Bedingungen gehören [Art. 110 Abs. 3c IVDR]

  • Das Produkt entspricht weiterhin der Richtlinie 98/79/EWG,
  • kein unannehmbares Risiko für Gesundheit und Sicherheit, 
  • keine wesentlichen Änderungen am Produktdesign und der Zweckbestimmung,
  • das QMS des Herstellers ist bis spätestens 26. Mai 2025 eingerichtet [Art. 10 Abs. 8 IVDR],
  • Nachweis eines Antrags bei einer Benannten Stelle für den Übergang zur IVDR und Unterzeichnung der schriftlichen Vereinbarung mit der Benannten Stelle, innerhalb der folgenden klassenspezifischen Fristen.
    • Für Klasse D IVD: Antragstellung bis 26. Mai 2025 und schriftlichen Vereinbarung bis 26. September 2025.
    • Für Klasse C IVD: Antragstellung bis 26. Mai 2026 und schriftlichen Vereinbarung bis 26. September 2026.
    • Für Klasse B und Klasse A steril IVD: Antragstellung bis 26. Mai 2027 und schriftlichen Vereinbarung bis 26. September 2027.

 

Für IVD mit einer vor dem 9. Juli 2024 abgelaufenen Bescheinigung werden die gleichen Übergangsfristen wie für IVD mit einer gültigen Bescheinigung gewährt, sofern eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist [Art. 110 Abs. 2 IVDR]:

  • Der Hersteller hat bereits vor Ablauf der Bescheinigung eine schriftliche Vereinbarung mit einer Benannten Stelle für den Übergang zur IVDR unterzeichnet, oder
  • eine zuständige Behörde hat vor dem 9. Juli 2024 eine Ausnahmegenehmigung erteilt [Art. 54 Abs. 1 IVDR], oder
  • Eine zuständige Behörde hat vor dem 9. Juli 2024 den Hersteller aufgefordert, das anwendbare IVDR-Konformitätsbewertungsverfahren gemäss Artikel 92 Absatz 1 durchzuführen.

Darüber hinaus wurden im Rahmen der Änderungsverordnung (EU) 2023/607 zur Entschärfung des Engpasses beim Übergang zur EU-MDR und IVDR die Abverkaufsbestimmungen sowohl in der EU-MDR als auch in der IVDR (d.h. im Wesentlichen ein Jahr nach Ablauf der jeweiligen Übergangsfrist für die Aktualisierung der CE-Kennzeichnung) gestrichen, so dass die Bestände an Legacy-Produkten bei den Händlern auf unbestimmte Zeit über das Ende der jeweiligen Übergangsfrist hinaus verkauft werden können.

Die nachstehenden Infografiken fassen die momentanen Übergangsfristen im Rahmen der EU-MDR und IVDR zusammen:

Diagramm mit den Übergangsfristen für Legacy-Medizinprodukte gemäss EU-MDR.

Diagramm mit den Übergangsfristen für Legacy-IVD gemäss IVDR.

Um von den Übergansfristen für Legacy-Produkte zu profitieren, ist ein Nachweis für die Erfüllung der Bedingungen nötig. Dieser wird erbracht durch:

  • Eine Selbsterklärung des Herstellers, in der bestätigt wird, dass die Bedingungen für die Verlängerung erfüllt sind, mit Angabe des Enddatums der Übergangsfrist. Eine Vorlage für eine solche Selbsterklärung wurde von MedTech Europe für Medizinprodukte zur Verfügung gestellt. Eine ähnliche Vorlage wird für IVD erwartet. 
  • Optional kann zusätzlich zur Selbsterklärung ein Bestätigungsschreiben der Benannten Stelle über den Erhalt des Antrags des Herstellers auf Konformitätsbewertung und den Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung eingereicht werden. Die Benannten Stellen sind nicht verpflichtet, solche Schreiben auszustellen, da der Hersteller den Antrag auf Konformitätsbewertung und den Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung mit einer Benannten Stelle auch auf andere Weise, z.B. durch eine Kopie der relevanten Unterlagen, nachweisen könnte.

Welche EU-MDR- oder IVDR-Anforderungen gelten für Legacy-Produkte?

Die Bestimmungen der EU-MDR und der IVDR, die für Legacy-Produkte gelten, sind in den entsprechenden Übergangsbestimmungen aufgeführt. Näher erläutert werden sie zudem in den Leitfäden MDCG 2021-25 (für die EU-MDR) und MDCG 2022-8 (für die IVDR), wo es nützliche Tabellen für die wichtigsten Artikel gibt.

Legacy-Produkte sind auch vom neuen Artikel 10 lit. a (EU-MDR/IVDR) betroffen – der Artikel über die obligatorische Meldung eines Ausfalls oder Beeinträchtigung der Versorgung, die zu einem ernsthaften Schaden oder der Gefahr eines ernsthaften Schadens führen könnte. Die EU-Kommission hat ein Q&A-Dokument veröffentlicht, das vor allem Herstellern bei der Umsetzung dieser Anforderung helfen soll.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Änderung von EG-Konformitätserklärungen (DoC, Declaration of Conformity), die unter den früheren Richtlinien (MDD, AIMDD oder IVDD) ausgestellt wurden. Eine solche Änderung muss unter Berücksichtigung des Leitfadens MDCG 2021-25 vorgenommen werden. Wenn der Hersteller eine Legacy-DoC aktualisiert, um kleine Änderungen an den Informationen in der Erklärung vorzunehmen (z.B. Anschrift des Herstellers, EU-Bevollmächtigter, Gültigkeitsdatum), sollte er der aktualisierten DoC einen Verweis zur DoC hinzufügen, die für das Legacy-Produkt vor dem Datum der Anwendung der EU-MDR oder IVDR erstellt wurde. Während es offensichtlich ist, dass die DoC eines Legacy-Produkts auf die entsprechende Richtlinie verweisen muss, stellt die MDCG 2021-25 klar, dass der Hersteller zusätzlich die Konformität mit Art. 120 der EU-MDR erklären kann, womit er bestätigt, dass die Bedingungen für den Verbleib im Legacy-Status erfüllt sind. Das Gleiche kann für Legacy-IVD in Bezug auf die Bedingungen in Art. 110 der IVDR extrapoliert werden, auch wenn dies in der MDCG 2022-8 nicht ausdrücklich angegeben ist. Die jüngste Überarbeitung der MDCG 2021-25 ist sehr zu begrüssen, da erhebliche Verwirrung darüber herrschte, ob eine Legacy-Konformitätserklärung bei geringfügigen Änderungen nach dem Datum des Inkrafttretens der EU-MDR oder IVDR geändert werden kann oder nicht.

Kurz gesagt, die Pflichten, die für Legacy-Produkte gelten, betreffen die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Marktüberwachung (d.h. durch die zuständigen nationalen Behörden), die Vigilanz sowie die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten.

Alle Produkte, die auf dem Markt sind, müssen dem Stand der Technik entsprechen durch Sicherstellung der Konformität mit allen geltenden Normen und Vorschriften.

Überwachung nach dem Inverkehrbringen und Vigilanz

Die wichtigste Anforderung für Legacy-Produkte ist wahrscheinlich die Überwachung nach dem Inverkehrbringen. Um die EU-MDR bzw. IVDR zu erfüllen, erfordert die Überwachung nach dem Inverkehrbringen eine systematische und proaktive Sammlung von Daten über die Sicherheit und Leistung des Produkts sowie die Meldung von Vigilanzfällen, auch für Legacy-Produkte. Die Anforderungen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

 

EU-MDR

IVDR

Plan zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMSP)

Pflicht für alle Legacy-Produkte. Zu strukturieren gemäss Annex III, Abschnitt 1 EU-MDR.

Pflicht für alle Legacy-IVD. Zu strukturieren gemäss Annex III, Abschnitt 1 IVDR.

Bericht zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMSR)

Pflicht für Legacy-Produkte der Klasse I – aktualisieren, wenn nötig.*

Pflicht für alle Legacy-IVD.*

Regelmässig aktualisierter Sicherheitsbericht (PSUR)

Pflicht für Legacy-Produkte der Klassen IIa, IIb, und III – im Minimum jährlich aktualisieren. Zu strukturieren gemäss MDCG 2022-21.*

Betrifft Legacy-IVD nicht.

Plan zur klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (PMCFP)

Falls zutreffend, gemäss Schlussfolgerungen aus dem Bericht zur klinischen Bewertung. Mit Querverweisen zu versehen, zusammengefasst im PMSP, zu strukturieren gemäss MDCG 2020-7.

Falls zutreffend, gemäss Schlussfolgerungen aus dem Leistungsbewertungsbericht. Mit Querverweisen zu versehen, zusammengefasst im PMSP, zu strukturieren gemäss MDCG 2020-7 (auf IVD anpassen, In Ermangelung einer spezifischen Vorlage).

Bericht zur klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (PMCFR)

Falls zutreffend. Im PMSR oder PSUR mit Querverweisen zu versehen und zusammenzufassen, zu strukturieren gemäss MDCG 2020-8.

Falls zutreffend. Im PMSR oder PSUR mit Querverweisen zu versehen und zusammenzufassen, zu strukturieren gemäss MDCG 2020-8 (auf IVD anpassen, In Ermangelung einer spezifischen Vorlage).

Vigilanzbericht

Gemäss EU-MDR Art. 87 oder IVDR Art. 82:

  • Schwerwiegende Gefahr der öffentlichen Gesundheit: Nicht später als 2 Tage.

  • Tod oder schwere Verschlechterung des Gesundheitszustands: Spätestens 10 Tage.

  • Andere schwere Vorfälle: Spätestens 15 Tage.

  • Jegliche Sicherheitskorrekturmassnahmen im Feld (einschliesslich solcher, die im Ausland durchgeführt wurden und Produkte betreffen, die im EWR bereitgestellt werden)

Trendberichte, gemäss EU-MDR Art. 88 oder IVDR Art. 83.

* Eine vollständige Überarbeitung der technischen Unterlagen gemäss den Anhängen II und III ist jedoch nicht erforderlich.

Beachten Sie, dass für “Altprodukte”, wie unter Wann gilt ein CE-gekennzeichnetes Produkt (Medizinprodukt oder IVD) als Legacy-Produkt? beschrieben, die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle Pflicht ist. Eine solche Meldung erfordert eine spezielle EUDAMED-Registrierung des Altproduktherstellers, wie in Frage 5 des Leitfadens MDCG 2021-13 beschrieben.

Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten

Grundsätzlich kann die EU-Kommission die EUDAMED-Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten nicht vorschreiben, solange EUDAMED nicht voll funktionsfähig ist. Dies änderte sich mit dem Vorschlag, EUDAMED in einer schrittweisen Einführung, die bis Ende 2025 beginnen soll, verbindlich zu machen.

Die Legacy-Produkte selber müssen auch in EUDAMED registriert werden (siehe MDCG 2019-5). Wenn diese Produkte nicht über eine Basis-UDI-DI oder eine UDI-DI verfügen, müssen sie eine EUDAMED-DI (anstelle der Basis-UDI-DI) und eine EUDAMED-ID (anstelle der UDI-DI) haben. Wenn diese Produkte dann in die EU-MDR- oder IVDR-CE-Kennzeichnung überführt werden, sollten Verknüpfungen zwischen den jeweiligen Registrierungen hergestellt werden.

Verwandte Verpflichtungen der Wirtschaftsakteure

In Bezug auf Legacy-Produkte gelten die Anforderungen der EU-MDR oder der IVDR, die sich nicht auf Überwachung nach dem Inverkehrbringen, Marktüberwachung, Vigilanz, oder Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten beziehen, für Wirtschaftsakteure im Prinzip nicht.

Die Leitfäden MDCG 2021-25 (zur EU-MDR) und MDCG 2022-8 (zur IVDR) vertreten diesbezüglich die Auffassung, dass folgende Kapitel für die entsprechenden Wirtschaftsakteure relevant sind:

  • für Hersteller gemäss EU-MDR: Art. 10 Abs. 10 und Art. 10 Abs 12 bis 15;
  • für Hersteller gemäss IVDR: Art. 10 Abs. 9 und Art. 10 Abs. 11 bis 10 Abs 14;
  • für Bevollmächtigte: Art. 11 Abs. 3 Buchstaben c) bis g);
  • für Importeure: Art. 13 Abs. 2 Unterabsatz 2, Art. 13 Abs. 4, Art. 13 Abs. 6 bis 8 und Art. 13 Abs. 10; 
  • für Händler: Art. 14 Abs. 2 letzter Unterabsatz und Art. 14 Abs. 4 bis 6.
Man sieht einen Mann, der an einem Tisch sitzt hinter seinem Laptop mit verschränkten Armen. Neben seinem Laptop steht eine Tasse. Im Vordergrund gross im Bild ein sehr unscharfer Laptop.

Die EU-MDR/IVDR-Konformität erfordert bei der Überwachung nach dem Inverkehrbringen eine systematische und proaktive Sammlung von Daten zur Sicherheit und Leistung des Produkts.

Brauchen Hersteller von Legacy-Produkten einen PRRC?

Die für die Einhaltung der Vorschriften verantwortliche Person (PRRC für Person Responsible for Regulatory Compliance) ist eine Anforderung, die in Artikel 15 der EU-MDR und IVDR eingeführt wurde. Wenn Sie mehr über die Rolle des PRRC erfahren möchten, lesen Sie bitte Die Rolle des PRRC in der MDR, die auch auf die IVDR übertragen werden kann.

Artikel 15 ist nicht in den Übergangsbestimmungen zur EU-MDR und IVDR für Legacy-Produkte aufgeführt. Dies wird auch in den Leitfäden MDCG 2021-25 und MDCG 2022-8 bestätigt, in denen Artikel 15 als Beispiel für Bestimmungen angeführt wird, die nicht für Legacy-Produkte gelten.

Wann gelten Behandlungseinheiten und Systeme als “Legacy-Produkte”?

Systeme und Behandlungseinheiten gelten gemäss MDCG 2021-25 als Legacy-Produkte, wenn folgende 3 Punkte zutreffen:

  • Die verbindliche Erklärung gemäss MDD Art. 12 wurde vor dem 26. Mai 2021 abgegeben,
  • das System oder die Behandlungseinheit besteht nur aus “Legacy-Produkten”,
  • gemäss EU-MDR ist eine Benannte Stelle erforderlich.

Der letzte Punkt beschränkt die Möglichkeit des Legacy-Status. Der Legacy-Status gilt nur für Systeme und Behandlungseinheiten, die MDD Art. 12 Abs. 3 unterliegen (d.h. sie werden von Dritten sterilisiert und benötigen daher eine Zertifizierung der Benannten Stelle für die Sterilitätsaspekte).

Sobald eine Komponente des sterilisierten Systems oder der sterilisierten Behandlungseinheit ihren Legacy-Status verliert und zur CE-Kennzeichnung gemäss EU-MDR übergeht, verliert das gesamte System bzw. die gesamte Behandlungseinheit ihren Legacy-Status.

Was ist bei Legacy-Produkten in der Schweiz speziell zu beachten?

Die Schweiz gilt seit dem 26. Mai 2021 als Drittland im Sinne der EU-MDR und seit dem 26. Mai 2022 im Sinne der IVDR. Die schweizerische Gesetzgebung wurde entsprechend angepasst. Sie erkennt aber die CE-Kennzeichnung unter der Schweizer Medizinprodukteverordnung (MepV, SR 812.213) bzw, unter der Schweizer In-vitro-Diagnostika-Verordnung (IvDV, SR 812.219) an. Somit haben auch “Legacy-Produkte” und “Altprodukte” unter der schweizerischen Gesetzgebung die gleiche Bedeutung und Auswirkung wie unter der EU-MDR und IVDR. Da die schweizerische Gesetzgebung im Wesentlichen auf die entsprechenden Bestimmungen der EU-MDR und IVDR verweist, müssen die jüngsten Aktualisierungen zur Ausweitung ihrer Übergangsbestimmungen in die MepV bzw. IvDV übernommen werden.

«Legacy-Produkte von Herstellern mit Sitz ausserhalb der Schweiz benötigen neu einen Schweizer Bevollmächtigten»

Kurz gesagt, die Anforderungen für Legacy-Produkte sind in der Schweiz die gleichen wie in der EU. Da die Schweiz nun jedoch ein Drittland ist, benötigen alle Legacy-Produkte von Herstellern mit Sitz ausserhalb der Schweiz neu einen Schweizer Bevollmächtigten. Darüber hinaus werden alle Schweizer Unternehmen, die Produkte aus dem Ausland in die Schweiz einführen und im Land weiterliefern, de facto zu Schweizer Importeuren und müssen neue Pflichten im Rahmen der MepV und IvDV erfüllen. Diese Anforderungen gelten unabhängig vom Status des Legacy-Produkts oder der Übergangsfrist des Produkts.

Zudem erwartet die zuständige schweizerische Behörde, Swissmedic, dass die Schweizer Bevollmächtigten und die Schweizer Importeure die Plausibilität der verlängerten Gültigkeit der Bescheinigung von Legacy-Produkten anhand der Selbstdeklarationen der Hersteller und der Bestätigungsschreiben der Benannten Stellen überprüfen. Für weitere Details siehe Frage (d) auf Seite 18 des Infoblatt zu den Pflichten der Wirtschaftsakteure von Swissmedic.

Weitere Informationen über die Rollen der Wirtschaftsakteure in der Schweiz finden Sie in den Blog-Artikeln Schweizer Bevollmächtigter für Medizinproduktehersteller und Schweizer Importeure von Medizinprodukten – rechtliche Anforderungen.

Wie Decomplix helfen kann

Decomplix berät Sie in allen regulatorischen und Qualitätsmanagement-Fragen rund um Medizinprodukte, mit besonderem Fokus auf den Schweizer Markt und die CE-Kennzeichnung.

Wir können Ihr Unternehmen dabei unterstützen, alle Anforderungen der EU-MDR oder IVDR zu erfüllen und die Konformität auf die effizienteste Art und Weise sicherzustellen. Wenn Sie Ihre Anliegen mit uns besprechen möchten, können Sie uns hier für ein unverbindliches Angebot zur CE-Kennzeichnung kontaktieren.

Darüber hinaus bieten wir Dienstleistungen als Schweizer Bevollmächtigter nach MepV und IvDV. Unsere Dienstleistungen umfassen Anleitungen und Checklisten, damit Sie die geltenden Anforderungen verstehen. Wenn Sie sich dafür interessieren, können Sie über dieses Formular Kontakt mit uns aufnehmen.

Weiterlesen

Dieser Artikel wurde zuletzt im November 2024 aktualisiert. Die Aktualisierungen berücksichtigen MDCG 2021-25 rev. 1 im Hinblick auf die Bedingungen für Legacy-Produkte und Behandlungseinheiten sowie die wichtige Klarstellung, dass EG-Konformitätserklärungen für Legacy-Produkte bei geringfügigen Änderungen geändert werden können.

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