
Klinische Bewertung von Medizinprodukten gemäss EU-MDR
Die Konformitätsbewertung eines Medizinprodukts im Rahmen der EU-MDR erfordert den Nachweis, dass das Produkt die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSPR) erfüllt. Dazu gehört auch eine klinische Bewertung. Dieser Artikel befasst sich mit den häufigsten Missverständnissen bei der klinischen Bewertung und soll Herstellern von Medizinprodukten helfen, die nötigen Schritte und die korrekte Dokumentation zu verstehen.
Ersetzt die Version vom 26.04.2022
Wichtige Erkenntnisse
- Klinische Nachweise sind gemäss EU-MDR für alle Medizinprodukte erforderlich. Die Annahme ist falsch, dass Produkte der Klasse I (geringes Risiko) keine klinische Bewertung erfordern.
- Artikel 61 Absatz 10 der EU-MDR ist keine Rechtfertigung, klinische Aussagen ohne klinische Daten zu machen. Selbst wenn die Verwendung klinischer Daten zum Nachweis der GSPR-Konformität als ungeeignet erachtet wird, ist ein Bericht über die klinische Bewertung erforderlich.
- Klinische Prüfungen sind erforderlich für Medizinprodukte der Klasse III und implantierbare Medizinprodukte, wobei es einige Ausnahmen gibt. Diese sollte man gut verstehen.
Inhalt
Was ist der Zweck der klinischen Bewertung gemäss EU-MDR? Ist sie immer erforderlich?
Die klinische Bewertung dient dazu, die Leistung und Sicherheit eines Medizinprodukts unter den normalen Bedingungen seiner Zweckbestimmung zu beurteilen. Dazu gehören mögliche unerwünschte Nebenwirkungen und die Annehmbarkeit des Nutzen-Risiko-Verhältnisses. Die klinische Bewertung ist daher der Eckpfeiler der Validierung von Medizinprodukten und der Konformitätsbewertung gemäss EU-MDR. Jede regulatorische Strategie für die CE-Kennzeichnung sollte auch die am besten geeignete klinische Strategie berücksichtigen.
Bei der klinischen Bewertung wird vom Hersteller erwartet, dass er den klinischen Nutzen des Produkts nachweist, d.h. “die positiven Auswirkungen eines Produkts auf die Gesundheit einer Person, die anhand aussagekräftiger, messbarer und patientenrelevanter klinischer Ergebnisse einschliesslich der Diagnoseergebnisse angegeben werden, oder eine positive Auswirkung auf das Patientenmanagement oder die öffentliche Gesundheit.”
[Art. 2 Abs. 53 EU-MDR]
Für Aussagen zum klinischen Nutzen braucht es demnach unterstützende klinische Daten, daher ist eine klinische Bewertung nötig. Dies gilt ausnahmslos für alle Klassen von Medizinprodukten. Es ist falsch zu behaupten, dass Produkte der Klasse I ein geringes Risiko aufweisen und daher keine klinische Bewertung erfordern. Hersteller von Medizinprodukten müssen zudem den Umfang des klinischen Nachweises angeben, der erforderlich ist, um die Konformität des Produkts mit den einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSPR, General Safety and Performance Requirements) in Anhang I der EU-MDR nachzuweisen. Der Umfang des klinischen Nachweises muss im Hinblick auf die Merkmale des Produkts und seiner Zweckbestimmung angemessen sein.
Die klinische Bewertung ist einer der arbeitsintensivsten und teuersten Teile der Konformitätsbewertung eines Produkts. Wenn klinische Daten generiert werden müssen (z.B. durch klinische Prüfungen), kann das Verfahren mehrere Jahre dauern.
Artikel 61 Absatz 10 wird manchmal fälschlicherweise als Scheinbegründung für eine Bewertung anhand nichtklinischer Testmethoden angeführt. Dieser Artikel erlaubt es zwar in manchen Fällen von klinischen Daten abzusehen, wenn der Nachweis der Konformität mit den GSPR anhand klinischer Daten als ungeeignet erachtet wird. Ohne diese ist es allerdings sehr schwierig, den Anforderungen der Punkte 1, 5 und 8 der GSPR zu entsprechen. Für Produkte der Klasse III sowie implantierbare Produkte ist eine Bewertung anhand nichtklinischer Testmethoden gänzlich ausgeschlossen.

Jede regulatorische Strategie für die CE-Kennzeichnung sollte auch die am besten geeignete klinische Strategie berücksichtigen.
Wenn ein Hersteller Behauptungen über den klinischen Nutzen seines Produkts aufstellt, dann ist Art. 61 Abs. 10 nicht angemessen. Kurz gesagt, der Artikel ist kein Ansatz für Produkte, für die keine klinischen Daten vorliegen. Wenn klinische Daten tatsächlich ungeeignet sind für den Nachweis der Konformität mit den GSPR, muss der Hersteller eine Begründung dafür vorlegen, warum der Nachweis allein durch nichtklinische Testmethoden (einschliesslich Leistungsbewertung, technischer Prüfung und vorklinischer Bewertung) erbracht werden kann. Eine solche Begründung muss die Besonderheiten der Wechselwirkung zwischen Produkt und menschlichem Körper, die beabsichtigte klinische Leistung und die Angaben des Herstellers berücksichtigen.
Bei fehlenden klinischen Daten erwarten die Benannten Stellen, dass Hersteller einen Plan und einen Bericht zur klinischen Bewertung erstellen. Hersteller sollen darlegen, wie die GSPR in Ermangelung klinischer Daten erfüllt werden können, und systematische Literaturrecherchen durchführen, um den Stand der Technik zu ermitteln und nachzuweisen, dass keine klinischen Daten verfügbar sind. Siehe auch Wo wird der klinische Nachweis dokumentiert?
Wie läuft die klinische Bewertung ab?
Jede klinische Bewertung muss einem definierten und methodisch fundierten Verfahren folgen, das auf den folgenden Punkten beruht:
“(a) eine kritische Bewertung der einschlägigen derzeit verfügbaren wissenschaftlichen Fachliteratur über Sicherheit, Leistung, Auslegungsmerkmale und Zweckbestimmung des Produkts; dabei müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- das Produkt, das Gegenstand der klinischen Bewertung für die Zweckbestimmung ist, ist dem Produkt, auf das sich die Daten beziehen, gemäss Anhang XIV Abschnitt 3 nachgewiesenermassen gleichartig, und
- die Daten zeigen in geeigneter Weise die Übereinstimmung mit den einschlägigen Sicherheits- und Leistungsanforderungen;
(b) eine kritische Bewertung der Ergebnisse aller verfügbaren klinischen Prüfungen, wobei gebührend berücksichtigt wird, ob die Prüfungen gemäss den Artikeln 62 bis 80, gemäss nach Artikel 81 erlassenen Rechtsakten und gemäss Anhang XV durchgeführt wurden, und
(c) eine Berücksichtigung der gegebenenfalls derzeit verfügbaren anderen Behandlungsoptionen für diesen Zweck.”
[Art. 61 Abs. 3 EU-MDR]
Teil A in Anhang XV der EU-MDR enthält weitere Einzelheiten zur Methodik und Dokumentation, die für eine klinische Bewertung erforderlich sind. Siehe auch: Wo wird der klinische Nachweis dokumentiert?
Die klinische Bewertung und deren Dokumentation müssen während des gesamten Lebenszyklus des Medizinprodukts auf dem neuesten Stand gehalten werden [Art. 61 Abs. 11 EU-MDR]. Dies wird durch die Sammlung und Analyse klinischer Daten im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (Post-Market Clinical Follow-up, PMCF) erreicht. Wenn ein Bericht über die klinische Bewertung (Clinical Evaluation Report, CER) vorliegt, sind daher ein PMCF-Plan und ein PMCF-Bericht als Mechanismen zur Aktualisierung des CER erforderlich. Einzelheiten finden Sie im Kapitel Wo wird der klinische Nachweis dokumentiert?
Welche klinischen Daten sind für die klinische Bewertung erforderlich? Wann kann auf klinische Prüfungen verzichtet werden?
Unter “klinische Daten” versteht die EU-MDR Angaben zur Sicherheit oder Leistung, die bei der Verwendung eines Produkts bzw. eines gleichartigen Produkts gewonnen werden und die aus den folgenden Quellen stammen:
- klinische Prüfungen oder anderen Studien, worüber in der wissenschaftlichen Literatur berichtet wird,
- in wissenschaftlicher Fachliteratur veröffentlichte Berichte sowie
- klinisch relevante Informationen aus der Überwachung nach dem Inverkehrbringen, insbesondere aus der klinischen Nachverfolgung nach dem Inverkehrbringen.
Zur Feststellung der Konformität des Produkts mit den GSPR müssen die Eignung, Qualität und Quantität der verschiedenen klinischen Datenquellen und der erforderliche “Umfang des klinischen Nachweises“ vom Hersteller im Hinblick auf die Merkmale des Produkts und seiner Zweckbestimmung begründet werden [Art. 61 Abs. 1 EU-MDR].
Nicht alle klinischen Datenquellen haben das gleiche Mass an klinischer Evidenz. In Anhang III der MDCG 2020-6 über den erforderlichen klinischen Nachweis für Legacy-Produkte, die in die EU-MDR überführt werden, wird eine Rangfolge mit 12 Stufen vorgeschlagen, die auch für neu entwickelte Medizinprodukte nützlich sein kann.
- Hochwertige klinische Prüfungen und Daten aus Registern stehen an der Spitze. Insbesondere für implantierbare Produkte und Produkte der Klasse III müssen die klinischen Daten aus diesen hochwertigen Datenquellen Daten enthalten, die mit dem zu bewertenden Produkt gewonnen wurden.
- Bei “bewährten Technologien“ können Datenquellen mit geringerer Gewichtung des Umfangs des klinischen Nachweises zur Unterstützung der Konformitätsbewertung herangezogen werden. Es reicht nie aus, sich allein auf Vigilanz- und Beschwerdedaten zu stützen. “Bewährte Technologien” (well-established technology, WET), wie in der MDCG 2020-6 beschrieben, betrifft Produkte, die eine einfache, übliche und stabile Konstruktion aufweisen, deren Leistung und Sicherheit in der gesamten Gruppe der generischen Produkte bekannt ist und die schon lange auf dem Markt sind.
Das Team-NB erwartet von den Herstellern, dass sie Off-Label-Daten als Teil der klinischen Gesamtbewertung berücksichtigen. Für die Erweiterung der Zweckbestimmung des Produkts sind Off-Label-Daten aber unzureichend.
Bei implantierbaren Produkten und Produkten der Klasse III sind klinische Prüfungen obligatorisch [Art. 61 Abs. 4 EU-MDR], wobei bestimmte Ausnahmen gelten. Diese sind in der nachstehenden Tabelle zusammengefasst.
EU-MDR Ref. |
Bedingungen |
Art. 61 Abs. 4, Einschub 1-3 |
|
Art. 61 Abs. 5 |
|
Art. 61 Abs. 6 lit. a |
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Art. 61 Abs. 6 lit. b |
|
Die MDCG 2023-7 enthält weitere Auslegungen und Leitfäden zu diesen Ausnahmen.
Bei Produkten, die weder der Klasse III angehören noch implantierbar sind, richtet sich die Notwendigkeit einer klinischen Prüfung nach den Zielen der klinischen Bewertung, die der Hersteller im Rahmen des klinischen Entwicklungsplans festlegen muss.
Was ist ein “gleichartiges“ Produkt gemäss EU-MDR?
Vereinfacht ausgedrückt ist ein „gleichartiges“ Produkt gemäss EU-MDR ein Produkt mit ähnlichen technischen Merkmalen und denselben biologischen und klinischen Merkmalen wie das zu bewertende Produkt. Im Falle von Medizinproduktesoftware (MDSW) sind die biologischen Merkmale logischerweise nicht relevant.
Um die Gleichartigkeit zu bestätigen, sollte ein Vergleich der beiden Produkte anhand der technischen, biologischen und klinischen Parameter durchgeführt werden, wie in Anhang I des Leitfadens MDCG 2020-5 angegeben. Alle Unterschiede in den technischen, biologischen und klinischen Merkmalen zwischen den beiden Produkten müssen identifiziert werden, und für jeden Unterschied muss eine wissenschaftliche Begründung geliefert werden, warum diese Unterschiede keine klinisch signifikanten Auswirkungen auf die Leistung und Sicherheit haben würden.

“Gleichartigkeit” darf nicht mit ähnlichen Begriffen verwechselt werden, wie z.B. “predicate“ oder „substantially equivalent devices”.
Zudem muss nachgewiesen werden, “dass die Hersteller über einen hinreichenden Zugang zu den Daten von Produkten, mit denen sie die Gleichartigkeit geltend machen, verfügen, um die von ihnen behauptete Gleichartigkeit belegen zu können” [Anhang XIV Teil A Abs. 3 EU-MDR]. Daten zu technischen Merkmalen eines Produkts, das als Vergleichsprodukt dienen könnte, sind schwer zugänglich. Bei implantierbaren Produkten und Produkten der Klasse III müssen der Hersteller des zu bewertenden Produkts und der Hersteller des gleichartigen Produkts den Umfang des Zugangs zu den technischen Daten vertraglich vereinbaren. Das Ziel ist es, einen vollständigen und kontinuierlichen Zugang zur technischen Dokumentation des gleichartigen Produkts zu gewährleisten.
Der Begriff “Gleichartigkeit” gemäss EU-MDR verlangt höhere Anforderungen beim Vergleich von Produkten als ähnliche Begriffe aus anderen Rechtsordnungen. Folglich darf “Gleichartigkeit” nicht mit ähnlichen Begriffen verwechselt werden, wie z.B. “predicate“ oder „substantially equivalent devices”, wie sie in den USA verwendet werden. “Predicate devices“, die für die Zulassung auf dem US-Markt ausreichen können, werden gemäss EU-MDR nur als “ähnliche” Produkte eingestuft. Dies gilt auch für viele Produkte, die nach der früheren, weniger strengen MDD als “gleichartig” galten.
“Ähnliche“ Produkte können in verschiedene Aspekte des klinischen Bewertungsprozesses einfliessen und die beobachtete klinische Leistung und Sicherheit des zu bewertenden Produkts unterstützen, z.B. als Referenzprodukt bei der Ermittlung des Stands der Technik. Die klinischen Daten „ähnlicher“ Produkte können jedoch nicht als Teil des klinischen Nachweises für die Gleichartigkeit der Leistung und Sicherheit des zu bewertenden Produkts verwendet werden.
Wie unterscheiden sich klinische Prüfungen von Gebrauchstauglichkeitsprüfung?
Der Begriff “Gebrauchstauglichkeitsprüfung” (auch Human Factors Engineering genannt) bezieht sich auf die Bewertung der Benutzeroberfläche eines Medizinprodukts bei bestimmungsgemässem Gebrauch. Ziel ist es, Risiken oder Einschränkungen zu ermitteln, die die Benutzer an der Verwendung des Produkts hindern könnten. Die Ergebnisse der Gebrauchstauglichkeitsprüfung ermöglichen es dem Hersteller, Massnahmen zu ergreifen, um diese Aspekte im Endprodukt zu beseitigen oder zu minimieren. Sie sind daher ein fester Bestandteil der Produktentwicklung. Sobald die Norm EN 62366-1 zur Gebrauchstauglichkeit von Medizinprodukten mit der EU-MDR harmonisiert ist, kann sie verwendet werden, um die Einhaltung der Gebrauchstauglichkeitsanforderungen der EU-MDR nachzuweisen.
Einige Prüfungen zur Validierung von Gebrauchstauglichkeitsaspekten sind unvermeidlich, um die GSPR Nr. 5 zu erfüllen, d.h. um auf gebrauchsbedingte Gefahren einzugehen. Wenn eine vorbereitende Risikoanalyse für das Produkt nur wenige anwendungsbezogene Gefahren von geringem Schweregrad ergibt, kann die Art der erforderlichen Gebrauchstauglichkeitsprüfung sehr viel einfacher sein und erfordert keine klinischen Prüfungen.
Gebrauchstauglichkeitsstudien, bei denen es sich um eine “systematische Untersuchung, bei der ein oder mehrere menschliche Prüfungsteilnehmer einbezogen sind” handelt, entsprechend der Definition einer klinischen Prüfung, da sie dazu dienen, die Sicherheit und/oder Leistung des Produkts zu bewerten [Art. 2 Abs. 45 EU-MDR]. Diese Studien können formativ sein, in den frühen Phasen der Produktentwicklung, oder summativ, als abschliessende Validierung von Aspekten der Gebrauchstauglichkeit.
Wird eine Machbarkeitsanalyse oder Projektstudie gemacht, bei der es sich um kleine klinische Prüfungen handelt (etwa um die vorläufige Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts zu ermitteln), so kann eine formative Gebrauchstauglichkeitsstudie in die Machbarkeitsanalyse integriert werden.
Machbarkeitsanalysen dienen als Grundlage für nachfolgende pivotale oder bestätigende klinische Prüfungen.
Sowohl Gebrauchstauglichkeitsstudien als auch zulassungsrelevante klinische Prüfungen müssen in Übereinstimmung mit Kapitel VI und Anhang XV der EU-MDR sowie mit der Guten Klinischen Praxis (EN ISO 14155) durchgeführt werden.
Können Daten aus klinischen Studien von ausserhalb der EU für die CE-Kennzeichnung verwendet werden?
Es wird erwartet, dass klinische Prüfungen zur Unterstützung der CE-Kennzeichnung in der EU durchgeführt werden und gemäss der Guten Klinischen Praxis (d.h. gemäss EN ISO 14155). Vorausgesetzt wird die Genehmigung der Ethik-Kommission, die Einwilligung des Patienten nach dessen Aufklärung, sowie die Erfüllung aller zusätzlichen nationalen/lokalen Anforderungen des EU-Mitgliedstaats, in dem die klinischen Prüfungen durchgeführt werden.
Die EU-MDR geht nicht speziell auf klinische Prüfungen ein, die in anderen Rechtsordnungen durchgeführt werden. In Anhang D des IMDRF-Leitfadens zur klinischen Bewertung (IMDRF MDCE WG/N56FINAL:2019) heisst es, “clinical investigations are conducted ethically in accordance with applicable Good Clinical Practice (GCP), the clinical data should be accepted for consideration in any jurisdiction”. Es wird aber betont, dass dies davon abhängt, ob die klinische Prüfung nach denselben regulatorischen Standards durchgeführt wird und die Population und den beabsichtigten Verwendungszweck des Landes widerspiegelt, in dem sie vermarktet werden soll.
Folglich sollten ausserhalb der EU durchgeführte klinische Prüfungen gemäss EN ISO 14155 und EU-MDR Anhang XV durchgeführt werden, und ihre Studienpläne müssen sicherstellen, dass etwaige Unterschiede keine bedeutsamen Auswirkungen auf die klinischen Daten haben.

Es wird erwartet, dass klinische Prüfungen zur Unterstützung der CE-Kennzeichnung in der EU durchgeführt werden.
Ausserhalb der EU gewonnene klinische Daten sind kritisch zu bewerten. Hersteller müssen wissenschaftlich begründen, warum regionale, intrinsische und extrinsische Faktoren, wie z.B. regionale Bevölkerungsgenetik oder regionale Krankheiten, die Validität der klinischen Daten und Schlussfolgerungen in Bezug auf die vorgesehene Population und das vorgesehene klinische Anwendungsumfeld in der EU nicht beeinträchtigt haben. Dies ist auch die Erwartung der Benannten Stellen, wie es ausdrücklich heisst im Team-NB’s Best Practice Guidance for the submission of Technical Documentation under the EU MDR.
Wo wird der klinische Nachweis dokumentiert?
Die klinische Bewertung folgt einem spezifischen Plan, der in einem klinischen Bewertungsplan (CEP, clinical evaluation plan) dokumentiert werden muss und den klinischen Entwicklungsplan (CDP, clinical development plan) einschliesst. Das Ergebnis der gemäss CEP durchgeführten klinischen Bewertung muss in einem klinischen Bewertungbericht (CER, clinical evaluation report) dokumentiert werden, der die Bewertung der Konformität des Produkts unterstützt.
Die klinische Bewertung wird durch die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (PMCF, Post-Market Clinical Follow-up) kontinuierlich auf dem neuesten Stand gehalten, wofür wiederum ein PMCF-Plan und ein daraus resultierender PMCF-Bericht erforderlich sind. Somit sind die CEP, CER, der PMCF-Plan und der PMCF-Bericht lebende Dokumente, die während der gesamten Lebensdauer des Produkts aktualisiert werden.
Der Hersteller muss Anhang XIV der EU-MDR befolgen, um im Rahmen seines Qualitätsmanagementsystems ein konformes Verfahren für die klinische Bewertung einzurichten, das zu einem entsprechenden CEP, CER, PMCF-Plan und PMCF-Bericht führt.
Einzelheiten zu den Inhalten, die von den Benannten Stellen für diese Dokumente erwartet werden, finden sich in Team-NB’s Best Practice Guidance for the submission of Technical Documentation under the EU MDR. Dieses Dokument verweist z.B. auf den alten Leitfaden MEDDEV 2.7/1 Rev. 4 als Referenz für ein hilfreiches Layout eines CER.
Im Fall von Produkten der Klasse III und aktiven Produkten der Klasse IIb, die zur Verabreichung und/oder Entfernung eines Arzneimittels bestimmt sind, kann der Hersteller eine klinische Entwicklungsstrategie in Betracht ziehen. Dies wäre ein vorbereitendes Dokument mit Vorschlägen für die klinische Prüfung, das der Hersteller einem Expertengremium zur Überprüfung vorlegen kann [Art. 61 Abs. 2 EU-MDR].
Die folgende Infografik veranschaulicht den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Dokumenten, die an einer klinischen Bewertung beteiligt sind.

CEP, CER, PMCF-Plan und PMCF-Bericht werden während der gesamten Lebensdauer des Produkts kontinuierlich aktualisiert.
Um Einwände der Benannten Stellen, die den klinischen Nachweis des Herstellers überprüfen, zu vermeiden, sollten die einschlägigen MDCG-Leitfäden so genau wie möglich befolgt werden. Dazu gehören:
- MDCG 2020-1, über die klinische Bewertung (gemäss EU-MDR) und die Leistungsbewertung (gemäss IVDR) von Medizinproduktesoftware,
- MDCG 2020-5, über die Gleichartigkeit der klinischen Bewertung, und
- MDCG 2020-6 über den erforderlichen klinischen Nachweis für Medizinprodukte, die zuvor gemäss der MDD oder AIMDD mit der CE-Kennzeichnung versehen waren.
- MDCG 2020-7, Vorlage für den PMCF-Plan.
- MDCG 2020-8, Vorlage für den PMCF-Bericht.
Beachten Sie auch, dass die klinischen Bewerter:innen entsprechend qualifiziert sein müssen und sowohl internes Personal als auch von Dritten beauftragte Expert:innen sein können. Benannte Stellen erwarten, dass die klinischen Bewerter:innen über ein umfassendes Fachwissen verfügen (z.B. über klinische Forschungsmethoden, einschlägige regulatorische Anforderungen, Produkttechnologie und natürlich über Diagnose und Behandlung der zu behandelnden Erkrankungen). Die Qualifikationsanforderungen sind in Kapitel 6.4 des alten Leitfadens MEDDEV 2.7/1 rev.4 besser beschrieben. Dieser Leitfaden wird immer noch als Referenz für Aspekte verwendet, die in den oben genannten MDCG-Leitfäden nicht behandelt werden.
Darüber hinaus ist MDCG 2020-13 ein äusserst hilfreiches Dokument, da es den Benannten Stellen bei der Konformitätsbewertung als Vorlage für ihren Bericht über die klinische Bewertung dient. Als solche liefert es wertvolle Erkenntnisse darüber, worauf die Benannten Stellen bei CER-Audits achten. Für Hersteller, die sich auf Artikel 61 Absatz 10 beziehen und geltend machen, dass der Nachweis der Konformität mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen auf der Grundlage klinischer Daten als ungeeignet erachtet wird, heisst es in Abschnitt J: “a clinical evaluation is still required and the above information and evidence-based justification shall be presented in the clinical evaluation report.”
Wie kann Decomplix helfen?
Das Verständnis der Anforderungen an klinische Daten ist entscheidend für die Festlegung einer sinnvollen klinischen Strategie und letztlich für eine reibungslose CE-Kennzeichnung ohne unnötigen Aufwand. Haben Sie zum Beispiel Fragen dazu, welche klinischen Daten erforderlich sind, damit Ihre Produkte die Konformitätsbewertung gemäss EU-MDR erfolgreich durchlaufen? Fragen Sie sich, wie Sie Usability Engineering und klinische Evidenz zusammenführen können?
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Dieser Artikel wurde zuletzt im September 2024 aktualisiert, um den Schwerpunkt auf einige häufige Missverständnisse bei der klinischen Bewertung gemäss EU-MDR zu legen, denen wir in unserem Beratungsalltag begegnen. Hinzu kommen Informationen aus den einschlägigen Leitfäden der MDCG, und wir zeigen die Erwartungen der Benannten Stellen auf.
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