Anforderungen an Händler von Medizinprodukten und IVD in der EU

Händler von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika (IVD) spielen eine wichtige Rolle bei der Konformität der Lieferkette. Ihre Pflichten sind in der EU-MDR und der IVDR genau beschrieben.
Wenn Sie unsicher sind, ob Sie als Händler im Sinne der EU-MDR oder IVDR gelten, oder wenn Sie wissen wollen, welche Auswirkungen die Vorschriften für Sie haben, wird Ihnen dieser Artikel helfen.

Ersetzt die Version vom 23.03.2022

Wichtige Erkenntnisse

  • Jede Einrichtung oder Einzelperson, die Produkte auf dem Markt bereitstellt, kann als Händler im Sinne der EU-MDR oder IVDR angesehen werden. Dies gilt sowohl für physische Produkte als auch für Medizinproduktesoftware.
  • Medizinprodukte- und IVD-Händler übernehmen wichtige Pflichten in Bezug auf die Überprüfung der Produktkonformität, die Rückverfolgbarkeit der Produkte, die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsakteuren und den zuständigen Behörden sowie die Unterstützung der Vigilanz zusätzlich zu den guten Vertriebspraktiken.
  • Händler, die ein Medizinprodukt oder ein IVD verändern möchten (einschliesslich der Übersetzung von Gebrauchsanweisungen), sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie dadurch rechtlich zum Hersteller des Produkts werden können.

Inhalt:

Was hat sich in der EU MDR und IVDR geändert?

Die EU-Verordnungen 2017/745 über Medizinprodukte (EU-MDR) und 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) haben dazu beigetragen, die Anforderungen der verschiedenen Akteure in der Lieferkette, der so genannten „Wirtschaftsakteure“, zu klären. Sie integrieren die Anforderungen, die früher als Teil eines separaten Rechtsakts (Beschluss Nr. 768/2008) beschrieben wurden.

Händler, die der Meinung sind, dass die EU-MDR und IVDR neue, schwerfällige Anforderungen eingeführt haben, dürften sich irren. Möglicherweise waren sie sich der bisherigen Regeln für die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt unter den früheren Richtlinien nicht bewusst und müssen daher die Lücken in ihren Prozessen schliessen.

Wer ist ein Händler?

Gemäss EU-MDR und IVDR bezeichnet der Begriff Händler:

“jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Produkt bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Importeurs.”
[Art. 2 Abs. 34 EU-MDR / Art. 2 Abs. 27 IVDR]

Diese Definition gilt sowohl für physische Produkte als auch für Medizinproduktesoftware. Händler von Medizinproduktesoftware können Unternehmen sein, die die Software über ihre Plattformen den Endnutzern zur Verfügung stellen.

Die “Bereitstellung” von Produkten auf dem Markt entspricht einer kommerziellen Tätigkeit, unabhängig davon, ob sie entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Und sie impliziert eine Übertragung des Eigentums, des Besitzes oder eines anderen Eigentumsrechts, was nicht unbedingt die physische Übergabe des Produkts erfordert. Die kommerzielle Tätigkeit schliesst Prüfprodukte und IVD für Leistungsstudien aus.

Dies bedeutet, dass jede Einrichtung (einschliesslich Apotheken, Optiker oder andere Einzelhändler) und jede Einzelperson, die von einer Einrichtung auf dem “Unionsmarkt” erhaltene Produkte weiterliefert, als Händler gilt.

Der “Unionsmarkt” umfasst die derzeit 27 EU-Mitgliedstaaten einschliesslich die EFTA-Länder (Island, Liechtenstein und Norwegen), Nordirland, die Türkei sowie einige Gebiete in Übersee, in denen EU-Recht gilt (z.B. Azoren, Martinique). Die europäischen Kleinststaaten Andorra, Monaco und San Marino haben einen besonderen Status, der von den geltenden bilateralen Abkommen abhängt. Kapitel 2.9 des Leitfadens für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2022 („Blue Guide“), eines nicht verbindlichen Dokuments, das von der EU zur Klärung der Produktvorschriften für die CE-Kennzeichnung im Allgemeinen veröffentlicht wurde, enthält eine ausführliche Erläuterung des geografischen Geltungsbereichs des Unionsmarktes.

«Jede Einrichtung oder Einzelperson, die auf dem Unionsmarkt erhaltene Produkte weiterliefert, gilt als Händler.»

Es ist wichtig, daran zu denken, dass die Schweiz und das Vereinigte Königreich (mit Ausnahme von Nordirland) nicht Teil des Unionsmarktes sind und als Drittländer gelten. Lesen Sie mehr über die Schweiz in unserem Blogartikel Schweizer Bevollmächtigte für Hersteller von Medizinprodukten.

Die Rolle des Händlers gilt auch für Unternehmen, die Behandlungseinheiten oder Systeme zusammenstellen, welche einzelne Produkte enthalten, die von anderen Unternehmen mit Sitz auf dem Unionsmarkt stammen. Als solche nehmen sie eine doppelte Rolle als Wirtschaftsakteur ein: als Händler der einzelnen Produkte und als Hersteller der Behandlungseinheit oder des Systems.

Können Third Party Logistics Händler sein?

Third Party Logistics (3PL) sind Logistikdienstleister, die in der Regel den Transport und die kurzfristige Zwischenlagerung von Produkten anbieten, ohne Eigentümer zu sein oder ein anderes Recht an diesen Produkten zu haben. Daher “stellen” sie keine Produkte auf dem Markt zur Verfügung und entsprechen nicht dem Händler im Sinne der EU-MDR/IVDR.

Die Dienstleistungen eines 3PL können auch dem Konzept des “Fulfilment-Dienstleisters” entsprechen, d.h. einer Einrichtung oder Person, die im Rahmen einer kommerziellen Tätigkeit mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen anbietet: Lagerung, Verpackung, Adressierung und Versand, ohne Eigentum an den betreffenden Produkten zu haben. Im Gegensatz zur EU-MDR und IVDR gelten Fulfilment-Dienstleister in der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung als eine Art “Wirtschaftsakteur” und werden in Kapitel 3.5 Leitfadens für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2022 ausführlich beschrieben.

3PL entsprechen nicht dem Händler im Sinne der EU-MDR/IVDR, solange sie keine Produkte auf dem Markt „bereitstellen“.

Der Leitfaden MDCG 2021-27 zu Händlern und Importeuren gemäss EU-MDR und IVDR stellt klar, dass Fulfilment-Dienstleister nicht mit Medizinprodukte- oder IVD-Händlern gleichzusetzen sind. Es sei denn, sie führen Tätigkeiten aus, die der Definition der Bereitstellung von Produkten auf dem Markt entsprechen. D.h. wenn eine Übertragung des Eigentums oder anderer Rechte an den Produkten erfolgt.

Kurz gesagt: Das Lagern und Versenden von Medizinprodukten oder IVD auf dem Unionsmarkt reicht nicht aus, um ein Unternehmen als Händler zu qualifizieren. Ein Unternehmen gilt gemäss EU-MDR oder IVDR nur dann als Händler, wenn es das Produkt von einem anderen Akteur in der Vertriebskette erwirbt und weiterverkauft. Entscheidend ist die Eigentumsübertragung.

Kann ein Händler gleichzeitig der Importeur für ein bestimmtes Produkt sein?

Händler und Importeur sind getrennte regulatorische Rollen. Diese Rollen sollten nicht mit dem (geschäftlichen) Konzept des Vertriebs von Waren im Sinne von Versand oder Verkauf verwechselt werden. Während sowohl Importeure als auch Händler Produkte versenden oder verkaufen können, sind diese Aktivitäten nicht der entscheidende Faktor, um Importeur oder Händler im Sinne der EU-MDR oder IVDR zu werden. Der Leitfaden MDCG 2021-27 enthält zahlreiche Beispiele, die diese Rollen verdeutlichen. Kurz gefasst:

  • Der Händler stellt die Produkte nur auf dem Unionsmarkt bereit. Bereitstellen bedeutet, dass der Händler die Produkte im Gebiet der Union nur an andere Händler oder Einzelhändler, an eine Gesundheitseinrichtung oder an 
  • Endverbrauchende liefert.
  • Stattdessen bringt der Importeur die Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr. Inverkehrbringen bedeutet, dass Importeure die Produkte von ausserhalb in das Unionsgebiet bringen und sie innerhalb des Unionsgebiets an einen Händler, eine Gesundheitseinrichtung oder an Endverbrauchende weiterliefern. Mehr zum Thema Schweizer Importeure von Medizinprodukten finden Sie in unserem entsprechenden Blogartikel.

Ein Unternehmen kann sowohl als Händler für Produkte im Unionsmarkt als auch als Importeur für Produkte von ausserhalb der Union tätig sein.

Für ein und dasselbe Produkt kann ein Unternehmen jedoch nicht sowohl Händler als auch Importeur sein. Ein bestimmtes Produkt wird dem Unternehmen entweder aus dem Unionsmarkt geliefert (wodurch das Unternehmen zu einem Händler wird) oder von ausserhalb des Unionsmarktes (wodurch das Unternehmen zu einem Importeur wird).

Gilt die Rolle des Händlers auch für Produkte, die sich im Transit befinden?

Produkte, die sich auf der Durchfuhr durch das Gebiet der Union befinden, um wieder aus der Union ausgeführt zu werden, sind nicht dazu bestimmt, auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht oder bereitgestellt zu werden. Daher sind die an einer solchen vorübergehenden Durchfuhr beteiligten Akteure weder Händler noch Importeure im Sinne der EU-MDR oder IVDR. Ausserdem müssen solche Produkte auch nicht der EU-MDR oder IVDR entsprechen. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein in der EU ansässiger Händler ein Produkt aus einem Drittland (z.B. der Schweiz) in sein deutsches Lager bringt, um es anschliessend in Länder ausserhalb der Union (z.B. Serbien) zu exportieren.

Für Waren, die sich im Transit befinden oder in Freizonen und Freilagern gelagert werden, gelten jedoch besondere Zollabfertigungsbedingungen für die vorübergehende Verwendung. Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, sollten sich mit den administrativen Prozeduren vertraut machen.

Welche Pflichten haben Händler gemäss EU-MDR und IVDR?

Die grundlegenden Pflichten von Händlern sind grösstenteils in Artikel 14 der EU-MDR und IVDR beschrieben.

Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsakteuren müssen sich Händler trotz ihrer Verantwortlichkeiten im Rahmen der EU-MDR und IVDR nicht als Akteure in EUDAMED registrieren lassen. Sie müssen sich jedoch möglicherweise bei ihrer zuständigen Behörde registrieren lassen. In einigen EWR-Ländern unterliegen die Händler einer Art nationaler Registrierung.

Wenn der Händler eine Umetikettierung oder Umverpackung vornimmt, gelten komplexere Anforderungen, bis hin zu dem Punkt, an dem ein Händler als rechtmässiger Hersteller angesehen werden kann. Weitere Informationen finden Sie unter Wann übernimmt ein Händler die gesetzlichen Pflichten des Herstellers?

Die Pflichten der Händler lassen sich in die folgenden 5 Gruppen unterteilen, die im Folgenden näher beschrieben werden:

  1. Überprüfung der Konformität vor dem Inverkehrbringen
  2. Rückverfolgbarkeit
  3. Gute Vertriebspraxis
  4. Unterstützung der Vigilanz
  5. Zusammenarbeit/Kommunikation mit den zuständigen Behörden und Wirtschaftsakteuren

Überprüfung der Konformität vor dem Inverkehrbringen:

Bevor ein Händler ein Produkt (einschliesslich Medizinproduktesoftware) auf dem Markt bereitstellt, muss er überprüfen, ob:

  • das Produkt mit der CE-Kennzeichnung versehen ist,
  • der Hersteller eine gültige EU-Konformitätserklärung ausgestellt hat,
  • dem Produkt die Gebrauchsanweisung und ggf. die Kennzeichnung beigefügt ist und ob die Kennzeichnung in den vorgeschriebenen Sprachen der vorgesehenen Vertriebsländer erfolgt (weitere Informationen finden Sie in unserem Blog-Artikel über sprachliche Anforderungen bei der Kennzeichnung),
  • die gemäss EU-MDR und IVDR vorgeschriebene eindeutige Produktkennung (Unique Device Identifier, UDI) vom Hersteller vergeben wurde und
  • im Falle von importierten Produkten, der Importeur die entsprechenden Angaben auf den Produkten oder in der jeweiligen Gebrauchsanweisung angegeben hat.

Die Überprüfung kann mittels eines Stichprobenverfahrens erfolgen, das für die gelieferten Produkte repräsentativ sein muss, mit Ausnahme der Angaben des Importeurs, die für jedes Produkt überprüft werden müssen.

Rückverfolgbarkeit:

Der Händler muss dazu beitragen, ein angemessenes Niveau der Rückverfolgbarkeit in der Produktlieferkette aufrechtzuerhalten.

  • Gemäss EU-MDR und IVDR muss der Händler in der Lage sein, jeden Kunden (d.h. Wirtschaftsakteur oder Gesundheitseinrichtung/Fachperson), an den er ein Produkt direkt geliefert hat, und jeden Lieferanten (d.h. Wirtschaftsakteur), von dem er ein Produkt erhalten hat, zu identifizieren.
  • Ausserdem muss der Händler eine Liste der UDIs für alle implantierbaren Produkte der Klasse III führen, die er erhalten und/oder weitergegeben hat. Die EU-Kommission kann weitere Produkte aufführen, für die die Pflicht zur Rückverfolgbarkeit der UDI gilt. [Art. 27 Abs. 8 EU-MDR]

Gute Vertriebspraxis:

Solange sich das Produkt in seiner Verantwortung befindet, muss der Händler sicherstellen, dass die Bedingungen für die Lagerung und den Transport mit den vom Hersteller festgelegten Bedingungen übereinstimmen.

Diese Anforderung erfordert geeignete Räumlichkeiten und Mitarbeitende sowie interne Verfahren, die beschreiben, wie die Lagerungs- und Transportanweisungen des Herstellers berücksichtigt werden.

Eine Nahaufnahme eines Büropults. Man sieht angeschnitten einen Laptop, eine Desktop Computer und zwei Hände an der Tastatur.

Der Händler muss ein Register über Beschwerden, nicht konforme Produkte, Rückrufe und Rücknahmen führen.

Unterstützung der Vigilanz:

“Vigilanz” bezieht sich auf die obligatorische Meldung bestimmter produktbezogener Probleme, die in der Phase nach dem Inverkehrbringen aufgedeckt werden könnten, an die zuständigen nationalen Behörden. Die Vigilanzpflichten sind zwar in der Verantwortung des Herstellers, aber die anderen Akteure der Lieferkette müssen mitarbeiten.

Insbesondere muss der Händler ein Register über Beschwerden, nicht konforme Produkte, Rückrufe und Rücknahmen führen. Er ist verpflichtet, die betreffenden Wirtschaftsakteure über diese Überwachung auf dem Laufenden zu halten und ihnen auf Anfrage alle verfügbaren Informationen zur Verfügung zu stellen.

Erhält ein Händler Beschwerden oder Berichte über Vorkommnisse im Zusammenhang mit einem Produkt, das er auf dem Markt bereitstellt, ist er verpflichtet, diese Informationen unverzüglich an den Hersteller (und bei importierten Produkten an den Importeur und den EU-Bevollmächtigten des Herstellers) weiterzuleiten.

Kommunikation und Zusammenarbeit:

Wenn ein Händler Grund zur Annahme hat, dass ein Produkt die EU-MDR- oder IVDR-Anforderungen nicht erfüllt, muss er den Hersteller und den Importeur sowie – bei Herstellern ausserhalb der Union – den EU-Bevollmächtigten des Herstellers informieren.

Darüber hinaus ist der Händler verpflichtet, die zuständige nationale Behörde unverzüglich zu informieren, wenn er Grund zur Annahme hat, dass ein Produkt gefälscht wurde und/oder ein ernstes Risiko für die Gesundheit der Patienten darstellt. Es reicht also nicht aus, den Vertrieb des fehlerhaften Produkts zu stoppen. Die Meldung an die zuständige Behörde ist obligatorisch.

Auf Verlangen einer zuständigen Behörde muss der Händler in der Lage sein, alle zum Nachweis der Konformität eines Produkts erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen oder vom Hersteller zur Verfügung stellen zu lassen. Der Händler kann von einer zuständigen Behörde auch aufgefordert werden, kostenlose Muster eines Produkts zur Verfügung zu stellen oder, falls dies nicht möglich ist, Zugang zum Produkt zu gewähren. Während seiner gesamten Tätigkeit kooperiert der Händler mit den zuständigen Behörden auf deren Verlangen bei allen Massnahmen zur Abwendung der Risiken, die mit Produkten verbunden sind, die er auf dem Markt bereitgestellt hat.

Wann übernimmt ein Händler die gesetzlichen Pflichten des Herstellers?

Ein Händler übernimmt die Pflichten des Herstellers, wenn eine der folgenden Änderungen eintritt [Art. 16 Abs. 1 EU-MDR/IVDR]:

  • Der Händler stellt das Produkt unter seinem eigenen Namen, seinem eingetragenen Handelsnamen oder seiner eingetragenen Marke auf dem Markt bereit. Ausnahme: Händler und Hersteller treffen eine Vereinbarung, wonach der Hersteller auf dem Etikett gekennzeichnet wird und für die Pflichten des Herstellers gemäss EU-MDR bzw. IVDR verantwortlich bleibt. Dieses Szenario entspricht einer “Private Label”-Vereinbarung.
  • Der Händler ändert die Zweckbestimmung eines bereits in Verkehr gebrachten oder in Betrieb genommenen Produkts.
  • Der Händler verändert ein bereits in Verkehr gebrachtes Produkt so, dass es die Einhaltung der geltenden Anforderungen beeinträchtigt. Ausnahme: Bestimmte Umetikettierungs- oder Umverpackungstätigkeiten.

Das Umetikettieren und Umverpacken bedarf einer ausführlicheren Betrachtung. Art. 16 Abs. 2, 3, und 4 der EU-MDR und IVDR regeln die Anforderungen an das Umverpacken und das Umetikettieren (einschliesslich der Bereitstellung von Übersetzungen) durch den Händler. Der Leitfaden, MDCG 2021-26, enthält zudem detaillierte Fragen und Antworten zu den verschiedenen Aspekten dieser Tätigkeiten.

Kurz gesagt: Das Umetikettieren/Umverpacken kann vom Händler entweder im Namen des Herstellers oder auf eigene Rechnung vorgenommen werden.

Im Namen des Herstellers

In Abschnitt 2 des MDCG 2021-26 heisst es:

“Art. 16 Abs. 2, 3 und 4 der Verordnungen gelten nicht für vom Hersteller unter Vertrag genommene Unternehmen (die auch als Importeure oder Händler eingestuft werden können), die im Auftrag und unter der Kontrolle des Herstellers auch Tätigkeiten des Umetikettierens und/oder Umverpackens durchführen.”

In einem solchen Fall wird erwartet, dass zwischen dem Hersteller und dem Händler eine spezifische Qualitätsvereinbarung für die untervergebene Tätigkeit besteht.

Auf eigene Rechnung

In diesem Fall muss die Umetikettierung/Umverpackung gemäss Art. 16 Abs. 2 EU-MDR/IVDR erfolgen. Die Bereitstellung von Produktinformationen (einschliesslich Übersetzungen) und/oder die Änderung der äusseren Verpackung des Produkts sind nur erlaubt, wenn sie “notwendig” sind, um das Produkt in dem betreffenden Land in Verkehr zu bringen, und wenn der ursprüngliche Zustand des Produkts nicht beeinträchtigt wird. Es gibt keine Definition, was “notwendig” bedeutet, aber MDCG 2021-26 veranschaulicht es mit dem Beispiel der Lieferung einer anderen Anzahl von Produkten in einer neuen Verpackung als der vom Hersteller in der Originalverpackung gelieferten Anzahl von Produkten.

Darüber hinaus muss der Händler [Art.16 Abs. 3, 4 EU-MDR/IVDR]:

  • auf dem Produkt, seiner Verpackung oder einem Begleitdokument die durchgeführte Tätigkeit (z.B. Übersetzung) angeben,
  • über ein Qualitätsmanagementsystem verfügen, das Verfahren umfasst, mit denen sichergestellt wird, dass die Übersetzungen korrekt und auf dem neuesten Stand sind und dass die Umetikettierung/Umverpackung unter angemessenen Bedingungen durchgeführt wird,
  • über eine Bescheinigung einer Benannten Stelle verfügen, die bestätigt, dass das Qualitätsmanagementsystem den Anforderungen entspricht, und
  • Unterrichtung der betroffenen zuständigen Behörde und des Herstellers über diese Tätigkeiten mindestens 28 Tage vor der Bereitstellung des umetikettierten/umverpackten Produkts auf dem Markt.

Es ist wichtig hervorzuheben, dass Artikel 16 Absätze 3 und 4 nicht für “Legacy”-Produkte gelten.

Wenn die Umetikettierung/Umverpackung auf eigene Rechnung des Händlers erfolgt, um die Produkte unter seinem Handelsnamen anzubieten (was als “Private Label” bezeichnet wird), entspricht dies dem Fall, in dem eine Vereinbarung mit dem Hersteller erforderlich ist, um zu verhindern, dass der Händler die Verpflichtungen des Herstellers übernimmt [Art. 16 Abs. 1 Lit. a].

Hersteller von Behandlungseinheiten oder Systemen sind ein Sonderfall, da sie Medizinprodukte, die von Dritten mit der CE-Kennzeichnung versehen werden könnten, umetikettieren und umverpacken. Diese Tätigkeiten werden jedoch von Artikel 22 der EU-MDR abgedeckt. Weitere Einzelheiten finden Sie in unserem Blog-Artikel über Behandlungseinheiten und Systeme.

Brauchen Händler ein Qualitätsmanagementsystem?

Artikel 14 der EU-MDR/IVDR enthält keine rechtliche Verpflichtung für Händler, ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) einzurichten. Auch im Blue Guide wird dies nicht erwähnt.

Trotzdem müssen die Prozesse, über die ein Händler verfügen muss, um seine Pflichten zu erfüllen, sorgfältig dokumentiert werden. Mit den systematischen Verfahren eines QMS kann der Händler sicherstellen, dass nur Produkte vertrieben werden, die den Konformitätsanforderungen entsprechen, und dass nicht konforme, gefälschte oder ungeeignete Medizinprodukte identifiziert und daran gehindert werden, auf den Markt zu gelangen, und dass die Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist.

Sobald der Händler allerdings umetikettiert oder umverpackt, muss er für diese Tätigkeiten ein QMS einführen, welches sicherstellt, dass [Art. 16 Abs. 3 EU-MDR/IVDR]:

  • alle übersetzten Informationen auf dem neuesten Stand sind, was die Einrichtung von Mechanismen beinhaltet, mit denen der Hersteller dem Händler Änderungen mitteilen kann,
  • die an der Verpackung vorgenommenen Änderungen keinen Einfluss auf den ursprünglichen Zustand des Produkts haben und
  • die neue Verpackung von angemessener Qualität ist.
Man sieht scharfe Linien und verschiedene Blau- und Grautöne und Lichtreflexionen, und nicht gut lesbar der Satz "Decomplix - simplified market access"

Die EU-MDR und IVDR enthalten keine rechtliche Verpflichtung für Händler, ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) einzurichten.

Der Leitfaden MDCG 2021-23 beschreibt die erforderliche QMS-Zertifizierung durch Benannte Stellen. In diesem Dokument sind die Bereiche aufgeführt, die das QMS des Händlers abdecken muss, um die Anforderungen von Artikel 16 der EU-MDR/IVDR zu erfüllen. Dazu gehören beispielsweise die klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation, Prozesse zur Durchführung von Korrekturmassnahmen, Prozesse zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von Produkten sowie verschiedene Kontrollmechanismen.

Gemäss dem Leitfaden sollte das QMS auch vertragliche Vereinbarungen mit den Wirtschaftsakteuren, von denen der Händler die Produkte bezieht, beinhalten. Diese Vereinbarungen sollen sicherstellen, dass die Konformität gewährleistet ist und dass der Händler rechtzeitig über Korrekturmassnahmen informiert wird, die erforderlich sind, um auf Sicherheitsprobleme zu reagieren. In diesem Zusammenhang wird im Leitfaden sogar vorgeschlagen, dass der Vertrag zwischen Händlern und Benannten Stellen die Möglichkeit von Vor-Ort-Audits in den Geschäftsräumen von Händlern oder Unterauftragnehmern vorsehen sollte.

Ist die Rolle des Händlers in der Schweiz anders?

Nein. Die einzigen Unterschiede ergeben sich aus der Tatsache, dass die Schweiz als Drittland gilt und somit nicht Teil des EU-Marktes ist. Die Schweiz hat zwar eine eigene regulatorische Grundlage (MepV und IvDV), diese basiert jedoch weitgehend auf der EU-MDR und IVDR. Für Hersteller mit Sitz ausserhalb der Schweiz ist ein Schweizer Bevollmächtigter erforderlich.

Weitere Informationen zu den schweizspezifischen Anforderungen finden Sie in unseren Blogartikeln über Schweizer Importeure und Schweizer Bevollmächtigte.

Wie Decomplix helfen kann

Decomplix berät Sie in allen Fragen der Regulierung und Qualitätssicherung von Medizinprodukten und IVD.

Wir verfügen über umfassende Erfahrung in Fragen der Einhaltung von Vorschriften innerhalb der Lieferketten und unterstützen Ihr Unternehmen dabei, eine geeignete Lösung für Ihr Qualitätsmanagementsystem zu finden. Gerne helfen wir Ihnen dabei, die Anforderungen an Händler zu erfüllen und die Einhaltung der Vorschriften auf die effizienteste Weise sicherzustellen. Hier finden Sie mehr über Schweizer Compliance beim Import von Medizinprodukten.

Darüber hinaus bieten wir die Dienstleistung des Schweizer Bevollmächtigten an, sowohl unter der Schweizer MepV als auch der IvDV, und vertreten bereits zahlreiche ausländische Hersteller. Die Dienstleistungen umfassen einen Mandatsvertrag, eine detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitung und Checklisten für Ihr Verständnis der geltenden Anforderungen.

Wenn Sie Fragen zur Rolle des Händlers im Rahmen der EU-MDR haben oder Hilfe beim Aufbau eines QMS benötigen, steht Ihnen unser Expertenteam gerne zur Verfügung. Bitte zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

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