Der Übergang von der IVDD zur IVDR: Hauptunterschiede und Änderungen

Die regulatorische Landschaft für In-vitro-Diagnostika (IVD) in Europa entwickelt sich weiter. Hersteller und andere Akteure müssen sich mit dem bedeutenden Wechsel von der Richtlinie über In-vitro-Diagnostika (IVDD) zur Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR) auseinandersetzen. Dieser Übergang bringt deutlich strengere Anforderungen, eine stärkere Überwachung und mehr Verantwortung für alle Beteiligten mit sich. Im Folgenden gehen wir auf die wichtigsten Aspekte dieser Umstellung ein und erläutern, was Hersteller beachten müssen, um die Einhaltung der IVDR zu gewährleisten.

Wichtigste Erkenntnisse

  • Verpasster Wechsel bei selbstdeklarierten IVD: Viele IVD, die zuvor selbst deklariert waren, müssen heute bereits die Anforderungen der Klasse A der IVDR erfüllen. Die Übergangsfrist ist im Mai 2022 abgelaufen. Hersteller müssen dringend alle Lücken schliessen, um diese Anforderungen zu erfüllen.
  • Unzureichende technische Dokumentation: Die fragmentierten Nachweise, die einst im Rahmen der IVDD ausreichten, entsprechen nicht mehr den IVDR-Standards. Ein vollständiges, gut strukturiertes technisches Dossier mit soliden klinischen Daten ist jetzt obligatorisch.
  • Aufsicht der Benannten Stelle unterschätzt: Produkte, die die Beteiligung einer Benannten Stelle erfordern, einschliesslich Produkte der Klasse A mit sterilen oder messenden Funktionen, werden oft übersehen. Die frühzeitige Einschaltung einer Benannten Stelle ist wichtig, um Verzögerungen bei der Zertifizierung zu vermeiden.

Inhalt

Was ist der Grund für den Übergang zur IVDR?

Die Verordnung (EU) 2017/746 (IVDR) wurde eingeführt, um den veralteten Charakter der früheren Richtlinie 98/79/EWG (IVDD) zu beheben, die seit fast zwei Jahrzehnten in Kraft war.

Die raschen Fortschritte in der Diagnosetechnik und die Notwendigkeit robusterer Vorschriften führten zur Entwicklung der IVDR. Sie zielt darauf ab, die Patientensicherheit zu erhöhen, die Rückverfolgbarkeit von Produkten zu verbessern und zu gewährleisten, dass die auf dem Markt befindlichen IVD sowohl sicher als auch wirksam für die vorgesehene Zweckbestimmung sind.

IVDD vs. IVDR – Was ist der Unterschied in der Klassifizierung?

IVDD

Unter der IVDD wurden die Produkte hauptsächlich in Liste A und Liste B (Anhang II) sowie in selbstdeklarierte Produkte eingeteilt:

  • Anhang II, Liste A: Produkte mit dem höchsten Risiko, wie z.B. Produkte zum Nachweis von HIV oder Hepatitis.
  • Anhang II, Liste B: Produkte mit mässigem Risiko, wie z.B. Tests für Röteln oder Blutzucker.
  • Produkte zur Selbstdiagnose: Erfasst sind spezielle Produkte für den Heimgebrauch, wie Schwangerschaftstests.

Die meisten nicht in Anhang II aufgeführten Produkte wurden vom Hersteller selbst deklariert, mit minimaler externer Aufsicht.

IVDR

Mit der IVDR wurde ein risikobasiertes Klassifizierungssystem eingeführt, das sich stärker an den risikobasierten Ansatz der Medizinprodukteverordnung (EU-MDR) anlehnt. Dieses System klassifiziert IVD in vier Klassen (A, B, C und D), basierend auf dem potenziellen Risiko, das sie für Patienten und die öffentliche Gesundheit darstellen:

  • Klasse A: Produkte mit geringem Risiko, wie z.B. Laborinstrumente und Reagenzien, die für die medizinische Diagnose keine entscheidende Rolle spielen. Produkte der Klasse A können oft nach wie vor selbst deklariert werden, sofern sie nicht steril sind.
  • Klasse B: Produkte mit mässigem Risiko, darunter viele Produkte zur Eigenanwendung, die früher unter der IVDD selbstdeklariert waren. Hier ist nun die Beteiligung einer Benannten Stelle im Rahmen der IVDR Pflicht.
  • Klasse C: Produkte mit höherem Risiko, wie Tests für Infektionskrankheiten und Begleitdiagnostika. Diese Produkte sind für die Diagnose schwerwiegender Krankheiten entscheidend, aber nicht so risikoreich wie Produkte der Klasse D.
  • Klasse D: Produkte, die das höchste Risiko für Patient:innen und die öffentliche Gesundheit darstellen, wie z.B. Blutscreening-Tests für Transfusionen und HIV- oder Hepatitis-Tests. Diese erfordern die strengste Überprüfung, einschliesslich der Beteiligung von EU-Referenzlaboratorien (EURL).
A technical device - in-vitro-diagnostic. A close-up of a microscope in the medical field.

In der EU werden IVD nach ihrem Risiko klassifiziert und in die Klassen A, B, C und D eingeteilt.

Das IVDR-Klassifizierungssystem verwendet sieben Regeln (im Vergleich zum listenbasierten Ansatz der IVDD), um die Risikoklasse eines IVD auf der Grundlage seiner Zweckbestimmung und der inhärenten Risiken zu bestimmen. Diese Regeln berücksichtigen Faktoren wie:

  • Die Kritikalität der diagnostischen Informationen, die das Produkt liefert (z.B. werden Produkte, die lebensbedrohliche Krankheiten wie Krebs oder HIV erkennen, als Klasse D eingestuft),
  • ob das Produkt für Selbsttests verwendet wird,
  • ob das Produkt für die Verwendung in der Nähe von Patient:innen oder in einer Laborumgebung bestimmt ist.

Was sind die Folgen der Neuklassifizierung von IVD?

Für Hersteller von IVD hat die Umstellung von der IVDD auf das Klassifizierungssystem der IVDR mehrere wichtige Konsequenzen:

  • Verstärkte behördliche Aufsicht
    Die Beteiligung einer Benannten Stelle ist für die meisten Produkte obligatorisch, auch für solche, die zuvor unter der IVDD selbst deklariert wurden. Dies bedeutet längere Vorlaufzeiten für die Zulassung und höhere Kosten aufgrund der strengeren Konformitätsbewertungen.
  • Bedarf an mehr klinischen Nachweisen
    Produkte der Klassen C und D erfordern umfangreiche klinische Leistungsdaten zum Nachweis der Sicherheit und Wirksamkeit, die von Benannten Stellen überprüft werden müssen.
  • Auswirkungen auf Legacy-Produkte
    Viele Produkte, die bisher selbst deklariert waren, müssen nun von einer Benannten Stelle geprüft werden. Das Dokument MDCG 2020-6 bietet eine Anleitung zum Umgang mit klinischen Nachweisen für diese Legacy-Produkte.

Das Dokument MDCG 2020-16 bietet eine ausführliche Anleitung zu den IVD-Klassifizierungsregeln gemäss IVDR. Darin wird beschrieben, wie Hersteller ihre Produkte auf Grundlage von Faktoren wie der Zweckbestimmung, dem Ausmass der Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und den potenziellen Risiken im Zusammenhang mit Diagnosefehlern klassifizieren sollten.

Welche Auswirkungen hat der Übergang auf die Beteiligung der Benannten Stellen?

Mit dem Übergang zur IVDR hat sich die Landschaft der IVD-Zertifizierung grundlegend verändert. Eine der wichtigsten Veränderungen ist die dramatische Zunahme der Beteiligung der Benannten Stellen. Im Rahmen der IVDR werden schätzungsweise mehr als 80% aller IVD eine Aufsicht durch eine Benannte Stelle benötigen, während es bei der IVDD nur 20% waren.

Der Grund für diese Verschiebung ist das neue risikobasierte Klassifizierungssystem der IVDR, das strengere regulatorische Kontrollen für Produkte mit höherem Risiko vorsieht und sicherstellt, dass Produkte mit grösseren potenziellen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit einem Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen werden.

Viele Legacy-Produkte, die zuvor selbst deklariert waren, müssen nun einer Konformitätsbewertung unterzogen werden.

Die Benannten Stellen übernehmen im Rahmen der IVDR eine weitaus aktivere Rolle, um sicherzustellen, dass die Hersteller die strengeren gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Zu den Hauptaufgaben der Benannten Stellen gehören:

  • Konformitätsbewertung
    Durchführung eingehender Konformitätsbewertungen für Produkte der Risikoklassen B, C und D, die IVD mit mittlerem bis hohem Risiko umfassen. Diese Bewertung umfasst die Überprüfung der technischen Dokumentation, der Bewertung der klinischen Leistung und der Pläne zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen.
  • Bewertung der klinischen Nachweise
    Die Benannten Stellen müssen die von den Herstellern vorgelegten klinischen Nachweise genau prüfen, um sicherzustellen, dass die Produkte die geltenden allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSPR) in Anhang I der IVDR erfüllen. Dazu gehört die Überprüfung der klinischen Leistungsstudien, der wissenschaftlichen Validität und des gesamten Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Produkts.
  • Audits und Vor-Ort-Inspektionen
    Als Teil der Konformitätsbewertung führen die Benannten Stellen regelmässige Audits und Inspektionen der Produktionsstätten durch, um die Einhaltung der Qualitätsmanagementsysteme zu überprüfen und die laufende Produktsicherheit zu gewährleisten.

Bei der Umstellung von der IVDD auf die IVDR spielen Benannte Stellen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass die Hersteller die neuen gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Viele Legacy-Produkte, die zuvor selbst deklariert waren, müssen nun einer Konformitätsbewertung unterzogen werden.

Ausserdem müssen die Benannten Stellen sicherstellen, dass Systeme für die Überwachung nach dem Inverkehrbringen vorhanden sind und wirksam funktionieren. Der neue IVDR-Rahmen legt den Schwerpunkt auf eine kontinuierliche Überwachung. Das bedeutet, dass Hersteller eng mit Benannten Stellen zusammenarbeiten müssen, um kontinuierlich die Sicherheits- und Leistungsbewertungen zu aktualisieren, auch nachdem das Produkt in Verkehr gebracht wurde.

Wie sollen sich Hersteller auf die Aufsicht durch die Benannte Stelle vorbereiten?

Um mögliche Verzögerungen und Herausforderungen zu vermeiden, sollten Hersteller drei Punkte beachten:

  • Frühzeitiges Engagement
    Schon früh im Entwicklungsprozess das Gespräch mit einer Benannten Stelle suchen, um die Anforderungen zu klären und ausreichend Zeit für Konformitätsbewertungen zu gewährleisten.
  • Umfassende Dokumentation vorbereiten
    Sicherstellen, dass die gesamte technische Dokumentation, die klinischen Leistungsdaten und das Qualitätsmanagementsystem vollständig mit den IVDR-Anforderungen übereinstimmen.
  • Eine langfristige regulatorische Strategie entwickeln
    Die Überwachung nach dem Inverkehrbringen und die Vigilanzberichterstattung müssen in eine langfristige Strategie integriert werden, wobei die Benannten Stellen die Leistungsdaten regelmässig überprüfen.

Die MDCG 2019-6 enthält Fragen und Antworten zu den Anforderungen an die Benannten Stellen im Rahmen der EU-MDR und IVDR.

Was sind die Herausforderungen für die Hersteller?

Der Übergang von der Selbstdeklarierung zur obligatorischen Beteiligung der Benannten Stelle betrifft ein breites Spektrum von Produkten, insbesondere solche, die:

  • neu in höhere Risikoklassen (B, C oder D) eingestuft werden,
  • bisher unter der IVDD selbstdeklariert waren, jetzt aber eine Konformitätsbewertung unter der IVDR benötigen,
  • als Produkte zur Eigenanwendung oder Therapiebegleitende Diagnostika eingestuft sind, die eine strengere Leistungsbewertung erfordern.

Nur eine kleine Untergruppe von Produkten der Klasse A (geringes Risiko, nicht steril) kommt für die Selbstdeklaration durch die Hersteller in Frage.

Die beträchtliche Zunahme der Zahl der IVD, die von einer Benannten Stelle überwacht werden müssen, bringt mehrere Herausforderungen mit sich:

  • Begrenzte Verfügbarkeit von Benannten Stellen
    Da die Nachfrage nach Dienstleistungen Benannter Stellen stark steigt, stehen die Hersteller vor der Herausforderung, rechtzeitig Bewertungen zu erhalten. Die begrenzte Anzahl von Benannten Stellen hat zu Engpässen geführt, so dass einige Hersteller Schwierigkeiten haben, eine akkreditierte Stelle zu finden, die über das erforderliche Fachwissen zur Bewertung ihrer Produkte verfügt. Hersteller, die sich nicht frühzeitig mit einer Benannten Stelle in Verbindung setzen, riskieren erhebliche Verzögerungen beim Marktzugang.
  • Längere Überprüfungszeiten
    Da die Benannten Stellen eine grössere Anzahl von Produkten überprüfen müssen, haben sich die Durchlaufzeiten für die Marktzulassung verlängert. Hersteller müssen diese verlängerten Fristen bei der Planung von Produkteinführungen oder der Umstellung bestehender Produkte von IVDD auf IVDR einkalkulieren.
  • Erhöhte Kosten
    Durch den Übergang von der Selbstdeklarierung zur obligatorischen Überprüfung durch Dritte sind die Kosten der Hersteller gestiegen. Durch die Bewertungen der Benannten Stelle, regelmässige Audits und klinische Bewertungen ist die Einhaltung der Vorschriften teurer geworden.

MDCG 2022-14 unterstreicht die Bedeutung einer frühzeitigen Einbindung der Benannten Stellen, um Verzögerungen und potenzielle Marktstörungen zu vermeiden, insbesondere für Hersteller von IVD mit hohem Risiko für die öffentliche Gesundheit.

Wie sieht es mit den Anforderungen an den klinischen Nachweis aus?

Eine der wichtigsten Neuerungen der IVDR ist die stärkere Betonung der klinischen Evidenz. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, der IVDD, die es Herstellern oft erlaubte, Produkte ohne umfangreiche klinische Daten auf den Markt zu bringen, verlangt die IVDR von den Herstellern robuste, detaillierte klinische Nachweise, um die Sicherheit, Leistung und wissenschaftliche Validität ihrer Produkte zu belegen. Diese Änderung soll die Patientensicherheit verbessern und sicherstellen, dass die auf dem Markt befindlichen Produkte genaue und zuverlässige Ergebnisse liefern.

Eine der wichtigsten Neuerungen der IVDR ist die stärkere Betonung der klinischen Evidenz.

Der klinische Nachweis für IVD wird durch die Sammlung von Daten im Rahmen einer Leistungsbewertung erbracht. Diese Bewertung umfasst Daten zur wissenschaftlichen Validität, der analytischen Leistungsdaten und gegebenenfalls der klinischen Leistungsdaten. Dies erfordert nicht nur die Generierung neuer Nachweise für bereits auf dem Markt befindliche Produkte, sondern auch eine kontinuierliche klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (PMCF) für Produkte mit hohem Risiko. Und dies gilt für alle IVD-Klassen und -Typen, einschliesslich risikoarme IVD der Klasse A und Medizinproduktesoftware (MDSW).

Das Dokument MDCG 2022-2 enthält Leitfäden zu den allgemeinen Grundsätzen der klinischen Evidenz für IVD.

Schlüsselkomponenten des klinischen Nachweises gemäss IVDR

Analytische Leistung bezieht sich auf die Fähigkeit eines IVD, den vorgesehenen Analyten unter bestimmten Bedingungen genau nachzuweisen oder zu messen. Bewertet werden Parameter wie:

  • Sensitivität
    Die Fähigkeit des Produkts, geringe Mengen des Analyten zu erkennen (Nachweisgrenze).
  • Spezifität
    Die Fähigkeit, den Zielanalyten ohne Kreuzreaktivität mit anderen Substanzen korrekt zu identifizieren.
  • Präzision
    Beständigkeit bei der Erzielung ähnlicher Ergebnisse unter den gleichen Bedingungen.
  • Genauigkeit
    Wie genau das Testergebnis mit einem Referenzstandard übereinstimmt.
  • Reproduzierbarkeit
    Die Fähigkeit des Produkts, konsistente Ergebnisse für verschiedene Labore, Betreiber oder Bedingungen zu liefern.

Um die analytische Leistung nachzuweisen, müssen Hersteller umfassende Daten aus laborgestützten Studien, Labortests und Vergleiche mit Referenzmethoden (z.B. Goldstandards) vorlegen. Diese Daten sind entscheidend, um sicherzustellen, dass das Produkt zuverlässig funktioniert, bevor es in den klinischen Bereich gelangt. Gemäss IVDR (Artikel 56 und Anhang II) ist die Dokumentation der analytischen Leistung in der technischen Dokumentation von wesentlicher Bedeutung.

Die klinische Leistung bezieht sich auf die Fähigkeit des IVD, klinisch nützliche Ergebnisse zu liefern, die bei der Diagnose, Überwachung oder Behandlung einer Krankheit oder eines medizinischen Zustands in der vorgesehenen Population helfen können. Diese Leistung muss durch klinische Daten nachgewiesen werden, bestehend aus:

  • Klinische Leistungsstudien
    Bei diesen Studien wird das IVD in realen klinischen Umgebungen getestet, um seine Wirksamkeit und Effektivität an menschlichen Proben zu bewerten.
  • Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMS)
    Nachdem das IVD auf dem Markt ist, ist eine kontinuierliche Überwachung und Sammlung klinischer Daten erforderlich, um die laufende Einhaltung der Leistungsstandards zu gewährleisten.

Die IVDR schreibt vor, dass die klinischen Leistungsdaten nachweisen müssen, dass das Produkt im klinischen Kontext effektiv arbeitet und genaue und klinisch relevante Ergebnisse für den vorgesehenen Einsatz liefert. Die klinische Leistung ist entscheidend, da sie den Nachweis erbringt, dass das IVD aussagekräftige Informationen für die Patientenversorgung liefert. Gemäss IVDR Artikel 56 und Anhang II sind die klinischen Leistungsdaten ein wesentlicher Bestandteil des klinischen Nachweises, der zur Unterstützung der CE-Kennzeichnung verwendet wird.

Die wissenschaftliche Validität bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen dem durch das IVD nachgewiesenen oder gemessenen Analyten und dem spezifischen klinischen Zustand oder physiologischen Zustand. Die Hersteller müssen nachweisen, dass der Analyt für den Zustand relevant ist, für den das Produkt angeblich verwendet wird. So muss beispielsweise ein diagnostischer Test für eine bestimmte Krankheit nachweisen, dass der gemessene Biomarker als Marker für diese Krankheit wissenschaftlich valide ist.

Welche Folgen hat der Fokus auf klinische Nachweise für die Hersteller?

Der Fokus der IVDR auf klinische Nachweise umfasst mehrere wichtige Änderungen, die sich auf die Hersteller auswirken:

  • Klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (PMCF)
    Hersteller müssen fortlaufend PMCF-Aktivitäten durchführen, um die Leistung und Sicherheit ihrer IVD nach dem Inverkehrbringen zu überwachen. Dadurch wird sichergestellt, dass etwaige Probleme oder Leistungsabweichungen schnell erkannt und behoben werden.
  • Legacy-Produkte
    Für Produkte, die bereits unter der IVDD auf dem Markt waren (so genannte “Legacy-Produkte“), müssen die Hersteller ihre klinischen Daten neu bewerten und möglicherweise neue Nachweise erbringen, um die höheren Standards der IVDR zu erfüllen.
  • Erhöhte Beweislast
    Die Hersteller müssen nun erheblich mehr Ressourcen in die Erstellung, Erfassung und Dokumentation klinischer Nachweise investieren. Dazu gehören die Durchführung von klinischen Leistungsstudien und die Sicherstellung laufender klinischer Nachuntersuchungen nach dem Inverkehrbringen.
  • Prüfung durch die Benannte Stelle
    Klinische Nachweise werden von Benannten Stellen genau geprüft, insbesondere bei Produkten mit höherem Risiko. Hersteller sollten sich frühzeitig mit den Benannten Stellen in Verbindung setzen, um sicherzustellen, dass ihre Nachweise den erforderlichen Standards entsprechen.
  • Umstellung von Legacy-Produkten
    Legacy-Produkte, die nach IVDD zertifiziert wurden, müssen neu bewertet werden, um sicherzustellen, dass sie die strengeren Anforderungen der IVDR an den klinischen Nachweis erfüllen. Dies kann die Erstellung neuer klinischer Daten oder die Durchführung zusätzlicher Leistungsstudien erfordern. Einzelheiten zur Gewährleistung eines reibungslosen Übergangs finden Sie im Abschnitt Was können Hersteller tun, um einen konformen Übergang von der IVDD zur IVDR zu gewährleisten?
Two men and a woman standing around a table writing on a paper

Das Niveau der erforderlichen klinischen Nachweise ist direkt mit der Klassifizierung des Produkts verknüpft.

Welche Wirtschaftsakteure sind von der Umstellung auf die IVDR betroffen?

Die IVDR führt strenge Anforderungen für Wirtschaftsakteure ein, zu denen Hersteller, Bevollmächtigte, Importeure und Händler gehören. Jeder von ihnen spielt eine wesentliche Rolle bei der Gewährleistung der Produktsicherheit und der Einhaltung der Vorschriften.

Hersteller

Die Hersteller tragen die Hauptverantwortung dafür, dass die Produkte der IVDR entsprechen. Dies beinhaltet:

  • Konformitätsbewertung
    Für Produkte, die in höhere Risikoklassen (B-D) eingestuft sind, müssen sie Konformitätsbewertungen durch Benannte Stellen durchführen oder veranlassen.
  • Technische Dokumentation
    Für jedes Produkt muss eine umfassende technische Dokumentation erstellt und gepflegt werden. Dazu gehören Einzelheiten über Produktauslegung, Risikomanagement, klinische Nachweise und Post-Market-Surveillance (PMS)-Systeme.
  • UDI und Produktregistrierung
    Sie müssen ein System zur eindeutigen Identifizierung von Produkten (Unique Device Identification, UDI) einführen und Produkte in der europäischen Datenbank (EUDAMED) zur Rückverfolgbarkeit registrieren.
  • Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMS) und Vigilanz
    Die Hersteller müssen ein PMS-System einrichten, um die Leistung und Sicherheit der Produkte nach dem Inverkehrbringen zu überwachen. Sie sind verantwortlich für die Meldung von Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmassnahmen im Feld (FSCA) an die zuständigen Behörden. 

EU-Bevollmächtigte (EC-REP)

EU-Bevollmächtigte (EC-REP) handeln im Namen von Nicht-EWR-Herstellern, um sicherzustellen, dass die im EWR in Verkehr gebrachten Produkte den IVDR-Anforderungen entsprechen. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehören:

  • Aufbewahrung der technischen Dokumentation
    EC-REPs müssen Zugang zur technischen Dokumentation haben und diese den Behörden auf Anfrage zur Verfügung stellen.
  • Registrierung
    Sie sind für die Registrierung von Produkten und sich selbst in EUDAMED verantwortlich.
  • Regulatorische Schnittstelle
    EC-REPs sind der Hauptansprechpartner für die zuständigen Behörden und müssen mit diesen bei Audits und Inspektionen zusammenarbeiten.
  • Haftung
    Nach der IVDR haften die EC-REPs gemeinsam mit dem Hersteller für fehlerhafte Produkte.

Importeure

Importeure spielen eine wichtige Rolle bei der Überprüfung, ob Produkte, die auf den EU-Markt gelangen, die IVDR-Anforderungen erfüllen. Zu ihren Aufgaben gehören:

  • Überprüfung der Konformität
    Die Importeure müssen prüfen, ob die Produkte mit der CE-Kennzeichnung und einer gültigen Konformitätserklärung versehen und in EUDAMED registriert sind. Sie müssen auch sicherstellen, dass die Kennzeichnung den IVDR-Standards entspricht.
  • Aufzeichnungen
    Sie sind verpflichtet, Aufzeichnungen über Produktlieferanten und Kunden zu führen, um die Rückverfolgbarkeit zu unterstützen.
  • Lagerung und Transport
    Die Importeure müssen sicherstellen, dass die Produkte unter geeigneten Bedingungen gelagert und transportiert werden, um die Qualität und Sicherheit der Produkte zu gewährleisten.
  • Überwachung nach dem Inverkehrbringen und Vigilanz
    Importeure sind verpflichtet, Hersteller, Bevollmächtigte und zuständige Behörden über alle Sicherheitsbedenken oder Nichtkonformitäten zu informieren.

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Händler

Die Vertreiber sind dafür verantwortlich, dass die Produkte in der EU auf konforme und sichere Weise vertrieben werden. Zu ihren spezifischen Pflichten gehören:

  • Überprüfung
    Die Händler müssen überprüfen, ob die Produkte die CE-Kennzeichnung tragen, eine gültige Konformitätserklärung haben und ordnungsgemäss gekennzeichnet sind.
  • Aufzeichnungen
    Sie sind verpflichtet, Aufzeichnungen über Produktlieferanten und Kunden zu führen, um die Rückverfolgbarkeit zu unterstützen.
  • Berichterstattung
    Händler müssen Hersteller und Behörden benachrichtigen, wenn sie Kenntnis von Zwischenfällen oder nicht konformen Produkten erhalten.
  • Überwachung nach dem Inverkehrbringen und Vigilanz
    Die Händler müssen die Überwachung nach dem Inverkehrbringen unterstützen, indem sie die Hersteller über alle Beschwerden oder Vorkommnisse im Zusammenhang mit den von ihnen vertriebenen Produkten informieren.

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Was ist das Produktkennzeichnungssystem (UDI) im Rahmen der IVDR?

Eine der wichtigsten Neuerungen, die mit der IVDR eingeführt wurden, ist das System zur eindeutigen Produktkennzeichnung (Unique Device Identification, UDI). UDI-Systeme gibt es in anderen Ländern, wie den USA, schon lange. Das UDI-System gemäss IVDR soll die Rückverfolgbarkeit von IVD während ihres gesamten Lebenszyklus – von der Herstellung bis zur Anwendung am Patienten und der Überwachung nach dem Inverkehrbringen – erheblich verbessern. Diese Änderung ist eine Reaktion auf die zunehmende Komplexität der Lieferketten und die Notwendigkeit einer zuverlässigeren Überwachung der Produktleistung, insbesondere in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit.

Mit der IVDR wird nun auch das Konzept der Basic UDI-DI (BUDI) eingeführt, bei dem es sich um einen übergreifenden Code handelt, der eine Familie von IVD zum Zweck der Rückverfolgbarkeit identifiziert. Die BUDI muss auf der EU-Konformitätserklärung, den technischen Unterlagen und in den von den Benannten Stellen ausgestellten EU-Zertifikaten erscheinen.

Was können Hersteller tun, um einen konformen Übergang von der IVDD zur IVDR zu gewährleisten?

Um einen reibungslosen und erfolgreichen Übergang zur IVDR-Konformität zu gewährleisten, müssen die Hersteller einen strategischen Ansatz verfolgen, indem sie ihre Prozesse, technischen Unterlagen und Systeme bewerten und aktualisieren. Dies beinhaltet:

  • Durchführung einer Lückenanalyse
    Prozesse und Produkte müssen bewertet werden in Bezug auf die Übereinstimmung mit den neuen IVDR-Anforderungen. Qualitätsmanagementprozesse müssen verglichen werden mit denen in Art. 10 Abs. 8 IVDR. Die IVDR verlangt von den Herstellern die Einführung eines Qualitätsmanagementsystem (QMS), das mit den Grundsätzen des ISO 13485 übereinstimmt. Lücken in der technischen Dokumentation, insbesondere in der klinischen Evidenz, müssen identifiziert werden unter Berücksichtigung der Anforderungen in Anhang II der IVDR und der geltenden Allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSPR) in Anhang I.
  • Frühzeitige Zusammenarbeit mit Benannten Stellen
    Angesichts der hohen Nachfrage nach Dienstleistungen der Benannten Stellen ist es wichtig, sich frühzeitig mit ihnen in Verbindung zu setzen, um Verzögerungen im Zertifizierungsprozess zu vermeiden.
  • Aktualisierung der Technische Dokumentation
    Die technische Dokumentation muss den IVDR-Standards entsprechen, einschliesslich klinischer Nachweise, Risikomanagement und Leistungsbewertung.
  • Implementierung von Systemen für die Überwachung nach dem Inverkehrbringen
    Ein System zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen sowie ein Vigilanzsystem müssen eingerichtet werden, um die Leistung des Produkts zu überwachen und etwaige Probleme unverzüglich zu melden.
  • Vorbereitung auf die UDI-Einführung
    Für die Produkte muss ein UDI-System eingerichtet werden, um die Einhaltung der IVDR-Anforderungen zur Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.

Folgender Leitfaden soll Herstellern bei der Entwicklung eines strukturierten Plans zur Einhaltung der IVDR-Anforderungen helfen. In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Aspekte und Massnahmen zur Unterstützung eines nahtlosen Übergangsprozesses aufgeführt:

 

Was müssen Sie tun

Klassifizierung

Bewerten Sie die Klassifizierung jedes Produkts gemäss IVDR-Vorschriften. Bestimmen Sie die Risikoklasse, die sich nach der Zweckbestimmung richtet. Passen Sie die technische Dokumentation an, um die Anforderungen für die zugewiesene Klasse zu erfüllen.

Benannte Stelle

Beauftragen Sie frühzeitig eine Benannte Stelle. Bereiten Sie sich auf die Konformitätsbewertung vor, indem Sie sicherstellen, dass eine umfassende Dokumentation zur Einreichung bereitsteht.

allgemeine Sicherheits- und Leistungs­anfor­derungen (GSPR)

Ordnen Sie die GSPR dem Produkt zu. Legen Sie eine detaillierte Dokumentation vor, aus der hervorgeht, wie die einzelnen GSPR erfüllt werden, einschliesslich klinischer Nachweise und Prüfberichte.

Qualitäts­manage­ment­system (QMS)

Aktualisieren Sie das QMS, um den IVDR-Anforderungen zu entsprechen. Dokumentieren Sie Prozesse für Risikomanagement, Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMS) und Vigilanz und stellen Sie sicher, dass diese in die technischen Unterlagen integriert werden. Schliessen Sie Rollen und Verantwortlichkeiten wie PRRC ein.

Klinische Evidenz und Leistungs­bewertung

Führen Sie eine Leistungsbewertung durch, die wissenschaftliche Validität, analytische Leistung und klinische Leistungsdaten umfasst. Stellen Sie sicher, dass alle Behauptungen durch Beweise belegt sind.

Überwachung nach dem Inver­kehr­bringen (PMS) und PSUR

Entwickeln Sie einen PMS-Plan. Richten Sie ein System zur Sammlung und Analyse von Daten nach dem Inverkehrbringen ein. Reichen Sie nach Bedarf den “Regelmässig aktualisierten Bericht über die Sicherheit” (PSUR) ein.

Struktur der tech­nischen Doku­men­tation

Organisieren Sie die technischen Unterlagen gemäss IVDR Anhang II und III. Nehmen Sie alle erforderlichen Abschnitte auf und achten Sie auf Klarheit und Vollständigkeit.

Etiket­tierung und Gebrauchs­an­weisungen (IFU) 

Überarbeiten Sie Etikettierung und Gebrauchsanweisung gemäss IVDR. Verwenden Sie klare, benutzerfreundliche Informationen. Stellen Sie sicher, dass alle Aktualisierungen in der technischen Datei berücksichtigt werden.

UDI und Verfolg­barkeit

Implementieren Sie ein UDI-System. Weisen Sie den Produkten UDIs zu und führen Sie eine genaue Dokumentation der UDI-Daten zur Rückverfolgbarkeit.

Wirtschafts­akteure und Kon­trolle der Liefer­kette

Definieren Sie Rollen und Verantwortlichkeiten für die Wirtschaftsakteure. Dokumentieren Sie alle Interaktionen in der Lieferkette. Führen Sie Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Einhaltung der Vorschriften in der gesamten Lieferkette ein.

Wie lange haben Hersteller für die Umstellung Zeit?

Der folgende Zeitstrahl zeigt die Übergangsfristen, welche für die Umstellung der CE-Kennzeichnung von der IVDD auf die IVDR für Legacy-IVD gewährt werden:

Darüber hinaus bietet das Dokument MDCG 2022-8 den Herstellern eine Anleitung für die verlängerte Übergangszeit, die sicherstellt, dass Produkte, die vor dem 26. Mai 2022 gemäss IVDD auf den Markt gebracht wurden, unter bestimmten Bedingungen und innerhalb der genannten Fristen weiterhin verkauft werden können.

Lesen Sie mehr zu Legacy-Produkten und Übergangsvorschriften.

Wie Decomplix helfen kann

Die regulatorischen Hürden sind mit der Einführung der IVDR deutlich gestiegen, und nach unserer Erfahrung tun sich viele Hersteller schwer mit der Umstellung von der IVDD auf die IVDR. Falls Sie spezifische Fragen haben, die Sie besprechen möchten, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Gerne unterstützen wir Ihr Unternehmen dabei, alle Anforderungen der EU-MDR oder IVDR zu erfüllen und die Konformität auf die effizienteste Art und Weise sicherzustellen.

Wenn Sie Ihre Bedürfnisse mit uns besprechen möchten, kontaktieren Sie uns für ein unverbindliches Angebot.

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