CE-Kennzeichnung für In-vitro-Diagnostika nach der IVDR
Seit 2017 werden In-vitro-Diagnostika (IVD) in der EU durch die Verordnung (EU) Nr. 2017/746 (IVDR) geregelt, und seit dem 26. Mai 2022 muss jedes neue IVD, das in der EU in Verkehr gebracht wird, gemäss dieser Verordnung entwickelt, hergestellt und gepflegt werden, um die CE-Kennzeichnung zu erhalten. Wenn Sie bezüglich dem Konformitätsbewertungsverfahren für die CE-Kennzeichnung nach der IVDR unsicher sind, lesen Sie weiter.
Wichtige Erkenntnisse
- Neue IVDs müssen gemäss der Verordnung (EU) Nr. 2017/746 (IVDR) mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden.
- Die Anforderungen sind gegenüber der früheren Richtlinie 98/79/EG (IVDD) deutlich gestiegen und aufgrund des neuen Klassifizierungsansatzes muss in weitaus mehr Fällen eine Benannte Stelle in die Konformitätsbewertung einbezogen werden.
- Das Konformitätsbewertungsverfahren unter Beteiligung einer Benannten Stelle kann sehr langwierig sein. Beginnen Sie mit dem Verfahren so früh wie möglich.
- Die CE-Kennzeichnung ist nicht unbedingt der letzte Schritt vor dem Verkauf Ihres Produkts. Hinzu kommen noch Registrierung und Übersetzung der Kennzeichnung für das betreffende Land.
Inhalt
Wie die IVDR die Konformitätsbewertung von IVDs verändert hat
Die neue Verordnung (EU) Nr. 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) trat am 26. Mai 2022 in Kraft. Seitdem können neue IVDs und IVDs, die gemäss der früheren Richtlinie 98/79/EG (IVDD) CE-gekennzeichnet sind und nicht als “Legacy-Produkte” gelten, nur auf den EU-Markt gebracht werden, wenn sie gemäss der IVDR CE-gekennzeichnet sind.
Die CE-Kennzeichnung nach der IVDR stellt im Vergleich zur IVDD eine erhebliche Hürde dar.
Der wichtigste Neuerung in der IVDR ist die IVD-Klassifizierung, welche die listenbasierte Kategorisierung in der IVDD ersetzt. Sie basiert auf der Zweckbestimmung und den inhärenten Risiken, analog zu Medizinprodukten. Es gibt 4 Produktrisikoklassen, wobei Klasse A die niedrigste und Klasse D die höchste Risikoklasse ist.
Früher waren die meisten IVDs in der IVDD nicht kategorisiert und konnten vom Hersteller selbst deklariert werden. Dies hat sich mit der IVDR drastisch geändert. Viele dieser selbst deklarierten Produkte fallen nun in die Klasse B oder höher, so dass eine benannte Stelle in die CE-Konformitätsbewertung einbezogen werden muss. Benannte Stellen sind unabhängige Drittunternehmen, die von den zuständigen nationalen Behörden offiziell für die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens benannt wurden. Benannte Stellen, die im Rahmen der IVDR benannt wurden, sind rar.
Das Niveau der Konformitätsanforderungen steigt mit der Risikoklasse. Allerdings, und auch das ist neu in der IVDR, müssen alle IVD-Hersteller unabhängig von der Risikoklasse des Produkts:
- über ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) verfügen (Art. 10 IVDR),
- eine für die Einhaltung der Vorschriften verantwortliche Person (PRRC) benennen, die die Anforderungen des Artikels 15 der IVDR erfüllt, und
- eine technische Dokumentation mit der Struktur und dem Inhalt von Anhang II und Anhang III erstellen, als Nachweis für die Erfüllung der Allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSPR), die in Anhang I der IVDR festgelegt sind.
EU-Referenzlaboratorien sind eine weitere neue Anforderung, die durch die IVDR eingeführt wurde. Diese Laboratorien werden von der EU-Kommission benannt, um die Benannten Stellen bei der Überprüfung der Leistung von Klasse-D-IVDs zu unterstützen. Die Zahl dieser Labore ist ebenfalls gering, was die ohnehin schon langen Zertifizierungsfristen der Benannten Stellen nochmals verlängert.
Wege der Konformitätsbewertung für IVDs
Sobald der Hersteller die Risikoklasse anhand der Klassifizierungsregeln in Anhang VIII der IVDR bestimmt hat, muss er das entsprechende Konformitätsbewertungsverfahren festlegen (Art. 48 IVDR).
Produkte, die für Leistungsstudien bestimmt sind und noch keine CE-Kennzeichnung tragen oder die CE-Kennzeichnung für eine andere als die untersuchte Zweckbestimmung tragen, benötigen keine CE-Kennzeichnung und müssen kein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen. Es gelten aber spezifische Anforderungen (Art. 57 – 77 IVDR), bevor das Prüfprodukt verwendet werden kann.
Auch betriebsinterne IVD, d.h. solche, die ausschliesslich in Gesundheitseinrichtungen hergestellt und verwendet werden, benötigen keine CE-Kennzeichnung, unterliegen aber strengen Bedingungen (Art. 5.5 IVDR).
Die folgende Tabelle fasst die anwendbaren Konformitätsbewertungswege auf der Grundlage der Produktklassifizierung zusammen.
Klassifizierung |
Optionen im Bewertungsverfahren |
Klasse A |
EU-Konformitätserklärung (Anhang IV), nach Erstellung der technischen Unterlagen gemäss den Anhängen II und III (ohne Beteiligung der Benannten Stelle). |
Klasse A (steril) |
Technische Unterlagen gemäss den Anhängen II und III UND Anhang IX, Kapitel I und III. (Die Beteiligung der Benannten Stelle beschränkt sich auf Sterilitätsaspekte) ODER Technische Unterlagen gemäss den Anhängen II und III UND Anhang XI (Beteiligung der Benannten Stelle beschränkt auf Sterilitätsaspekte) |
Klasse B |
Anhang IX, Kapitel I und III UND Bewertung der technischen Dokumentation (von mindestens einem repräsentativen Produkt pro Gattungsgruppe) gemäss Anhang IX Abschnitt 4. |
Klasse B für Eigenanwendung oder patientennahe Tests |
Anhang IX, Kapitel I und III UND Bewertung der technischen Dokumentation gemäss Anhang IX Abschnitte 4 und 5.1. |
Klasse C |
Anhang IX, Kapitel I und III UND Bewertung der technischen Dokumentation (von mindestens einem repräsentativen Produkt pro Gattungsgruppe) gemäss Anhang IX Abschnitt 4. ODER Anhang X UND Anhang XI (ausser Abschnitt 5). |
Klasse C für Eigenanwendung oder patientennahe Tests |
Anhang IX, Kapitel I und III UND Bewertung der technischen Dokumentation gemäss Anhang IX Abschnitte 4 und 5.1. ODER Anhang X UND Anhang XI (ausser Abschnitt 5). |
Klasse C für therapiebegleitendes Diagnostikum |
Anhang IX, Kapitel I und III UND Bewertung der technischen Dokumentation gemäss Anhang IX Abschnitte 4 und 5.2 UND Konsultation der Benannten Stelle mit den zuständigen Arzneimittelbehörden gemäss Anhang IX Abschnitt 5.2. ODER Anhang X UND Anhang XI (ausser Abschnitt 5) UND Konsultation der Benannten Stelle mit den zuständigen Arzneimittelbehörden gemäss Anhang X Abschnitt 3 Buchstabe k. |
Klasse D |
Anhang IX, Kapitel I und III UND Bewertung der technischen Dokumentation gemäss Abschnitt 4 (inkl. Überprüfung durch ein EU-Referenzlabor). ODER Anhang X (inkl. Überprüfung durch das EU-Referenzlabor gemäss Abschnitt 3) UND Anhang XI. |
Klasse D für Eigenanwendung oder patientennahe Tests |
Anhang IX, Kapitel I und III UND Bewertung der technischen Unterlagen gemäss Anhang IX Abschnitte 4 (inkl. Überprüfung durch ein EU-Referenzlabor) und 5.1. ODER Anhang X (inkl. Überprüfung durch ein EU-Referenzlabor, gemäss Abschnitt 3) UND Anhang XI. |
Klasse D für therapiebegleitendes Diagnostikum |
Anhang IX, Kapitel I und III UND Bewertung der technischen Dokumentation gemäss Anhang IX Abschnitte 4 (inkl. Überprüfung durch ein EU-Referenzlabor) und 5.2 UND Konsultation der Benannten Stelle mit den zuständigen Arzneimittelbehörden gemäss Anhang IX Abschnitt 5.2. ODER Anhang X (inkl. Verifizierung durch ein EU-Referenzlabor, gemäss Abschnitt 3) UND Anhang XI UND Konsultation der Benannten Stelle mit den zuständigen Arzneimittelbehörden gemäss Anhang X Abschnitt 3(k). |
Bei Produkten der Klasse D, für die keine allgemeine Spezifikationen zur Verfügung stehen und bei denen es sich um die erste Zertifizierung für diesen Produkttyp handelt, konsultiert die Benannte Stelle zudem einen Fachexperten bezüglich des Leistungsbewertungsberichts.
Vom Hersteller durchgeführte Konformitätsbewertung
Bei IVD der Klasse A, die nicht steril sind, trägt der Hersteller die alleinige Verantwortung für die Konformitätsbewertung, und eine Benannte Stelle ist nicht am Verfahren beteiligt. Aus diesem Grund tragen diese Produkte nur ein CE-Zeichen, aber keine vierstellige Kennnummer einer Benannten Stelle.
Eine erfolgreiche Konformitätsbewertung durch den Hersteller setzt voraus, dass das Produkt und die damit verbundenen Prozesse (d. h. das QMS des Herstellers) alle geltenden Anforderungen der IVDR erfüllen. Schriftliche Konformitätsnachweise müssen für jedes Produkt vorliegen (z. B. technische Unterlagen und Chargenprotokolle) und während des gesamten Lebenszyklus des Produkts ordnungsgemäss aufbewahrt werden. Dies bedeutet, dass alle betroffenen Dokumente bei Produktänderungen, Prozessänderungen und Änderungen von Vorschriften, offiziellen Richtlinien oder harmonisierten Normen, die sich auf die Produktkonformität auswirken, überprüft werden müssen.
Bevor ein Produkt auf den Markt gebracht wird, muss der Hersteller die Konformität in der EU-Konformitätserklärung deklarieren. Mit der Unterzeichnung der EU-Konformitätserklärung für ein IVD bescheinigt der Hersteller, dass das Produkt und das zugehörige Verfahren (d. h. das QMS) den geltenden Anforderungen der IVDR entsprechen. Ein Hersteller sollte nur dann unterschreiben, wenn diese Konformität tatsächlich gegeben ist und nachgewiesen werden kann.
Darüber hinaus müssen Produkte der Klasse A, die in einem EWR-Land oder der Türkei in Verkehr gebracht werden, über das UDI-Modul in EUDAMED oder in einigen Fällen auch über die zuständige nationale Behörde registriert werden. Die Registrierung in EUDAMED obliegt dem Hersteller, unabhängig davon, in welchem Land er ansässig ist. Die allfällige Registrierung bei den zuständigen nationalen Behörden wird in der Regel von den lokalen Herstellern oder den in diesem Land ansässigen EU-Bevollmächtigten verlangt.
Beachten Sie auch, dass die mit dem Produkt gelieferten Informationen (Etiketten, Gebrauchsanweisungen) in den erforderlichen Sprachen der Länder verfügbar sein müssen, in denen das Produkt verkauft werden soll.
Von einer Benannten Stelle durchgeführte Konformitätsbewertung
Die Hersteller können eine Benannte Stelle unter den nach der IVDR akkreditierten Stellen auswählen, die die betreffende Produktgruppe in ihrem Zuständigkeitsbereich haben. Informationen über die benannten Stellen finden Sie unter NANDO (New Approach Notified and Designated Organisations).
Der Hersteller muss bei der ausgewählten Benannten Stelle einen formellen Antrag auf CE-Zertifizierung stellen. Es ist nicht möglich, bei verschiedenen Benannten Stellen gleichzeitig einen Antrag zu stellen, und es ist schwierig, die Benannte Stelle zu wechseln, sobald das Zertifizierungsverfahren begonnen hat. Ausserdem kann der Zertifizierungsprozess bei einer Benannten Stelle extrem langwierig sein. Wie aus der Umfrage der Europäischen Kommission über Benannte Stellen zu Zertifizierungen und Anträgen (MDR/IVDR) hervorgeht, dauern 85 % der IVDR-Zertifizierungen für Produkte mehr als 13 Monate, 14 % mehr als 19 Monate.
Die Benannten Stellen stellen je nach Konformitätsbewertungsverfahren verschiedene Arten von Bescheinigungen aus:
- Für das Qualitätsmanagementsystem des Herstellers: die EU-QMS-Bescheinigung (Anhang IX) oder die EU-Bescheinigung über die Qualitätssicherung der Produktion (Anhang XI).
- Für das Produkt: die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation (Anhang IX) oder die EU-Baumusterprüfbescheinigung (Anhang X).
Jährliche Überwachungsaudits werden von der Benannten Stelle durchgeführt; zwischen den Überwachungsaudits kann die Benannte Stelle unangekündigte Audits durchführen.
Nach erfolgreicher Konformitätsbewertung kann der Hersteller das CE-Zeichen auf den Produkten anbringen und eine EU-Konformitätserklärung ausstellen (Anhang IV IVDR). In dieser bescheinigt er, dass die Produkte der Verordnung entsprechen, was die Konformität mit allen von der IVDR geforderten produkt- und produktbezogenen Verfahren einschliesst.
Beachten Sie, dass unter der früheren Richtlinie für Medizinprodukte (Richtlinie 98/79/EG, IVDD) die von der Benannten Stelle ausgestellten Bescheinigungen die Bezeichnung “EG” statt “EU” trugen und die Konformitätserklärung die Bezeichnung “EG” statt “EU” trug, um der Kodierung der Rechtsvorschriften zu entsprechen.
Die Benannte Stelle prüft das Qualitätsmanagementsystem des Herstellers gemäss der IVDR (eine bereits bestehende Zertifizierung nach der harmonisierten Norm ISO 13485 begründet die Konformitätsvermutung). Je nach Risikoklasse, umfasst das Audit auch eine Überprüfung der technischen Dokumentation oder der Konstruktionsunterlagen. Mit dieser Überprüfung soll sichergestellt werden, dass ausreichende Design-Kontrollen vorhanden sind und dass die etablierten Prozesse zur Erstellung und Pflege der technischen Dokumentation angemessen sind.
Produkte, die unter Mitwirkung einer Benannten Stelle bewertet wurden, sind mit einem CE-Zeichen zu kennzeichnen, gefolgt von der Kennnummer der zuständigen Benannten Stelle.
Wie Decomplix helfen kann
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