8 Dinge, die Sie über die Klassifizierung von Medizinprodukten in der EU (MDR) wissen müssen
Medizinprodukte werden in der Europäischen Union (EU) nach ihrem Risiko klassifiziert und in die Klassen I, IIa, IIb und III eingeteilt. Die Produkte der Klasse I werden zudem in die Klassen I, Is, Im und Ir unterteilt. Was bedeuten diese Risikoklassen, und von welchen Risiken ist dabei die Rede?
Bevor Sie sich Gedanken über die richtige Klassifizierung Ihres Produkts machen, sollten Sie sicherstellen, dass es überhaupt als Medizinprodukt qualifiziert ist (also in die rechtliche Definition fällt). Wenn Sie wissen möchten, ob Ihr Produkt in der EU als Medizinprodukt gilt, finden Sie Antworten auf diese Frage im Blogbeitrag „Ist mein Produkt ein Medizinprodukt?“.
Der nächste Schritt ist die Ermittlung der Risikoklasse auf der Grundlage der Zweckbestimmung und des inhärenten Risikos eines Produkts (mehr über die Zweckbestimmung erfahren Sie hier). Die Klassifizierung hat weitreichende Folgen für die rechtlichen Anforderungen, die das Produkt während seines gesamten Lebenszyklus erfüllen muss. Je höher das Risikopotenzial des Produkts, desto mehr Sicherheits- und Leistungsnachweise muss der Hersteller vor und nach dem Inverkehrbringen liefern (lesen Sie hier mehr darüber, wie die Regulierung von Produkten die Patientensicherheit erhöht).
Inhalt:
1. Von welchen Risiken ist die Rede? Was ist eine Risikoklasse?
Das inhärente Risiko eines Produkts ist ein entscheidendes Element, das bei der praktischen Umsetzung der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) (EU) Nr. 2017/745 berücksichtigt werden muss, um das angemessene Mass an Nachweisen zur Erreichung der Konformität festzulegen. In diesem Zusammenhang umfasst der Begriff „Risiko“ zwei Aspekte: die Risikoklasse eines Produkts und das potenzielle und tatsächliche Risiko, das sein Hersteller beherrschen muss. Diese Aspekte unterscheiden sich nicht grundlegend, sondern werden in verschiedenen Teilen der Verordnung behandelt. Der Schwerpunkt dieses Blogartikels ist die Klassifizierung von Produkten auf der Grundlage des Risikos, anhand dessen die Produkte im Hinblick auf die Konformitätsbewertung in vier Produktklassen eingeteilt werden.
Medizinprodukte werden einer der folgenden Risikoklassen zugeteilt:
- Klasse I – geringes Risiko
- Klasse IIa – mittleres Risiko
- Klasse IIb – mittleres Risiko
- Klasse III – hohes Risiko
Die Klasse I besteht aus 3 Unterklassen.
- Klasse Is: Produkte, die in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden
- Klasse Im: Produkte mit einer Messfunktion
- Klasse Ir: wiederverwendbare chirurgische Instrumente
Nach Ermittlung der passenden Risikoklasse müssen sich die Hersteller während des gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte mit den verbleibenden Sicherheits- und Leistungsrisiken befassen. Diese Risiken können auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein, wie z.B. Produktvariabilität, Faktoren, die sich auf die Nutzungsumgebung des Produkts auswirken, verschiedene Interaktionen mit dem Endnutzer oder unvorhergesehene Produktausfälle und Fehlanwendungen. Die MDR unterstreicht die Notwendigkeit, nutzungsbedingte Risiken zu ermitteln und zu bewerten. In diesem Zusammenhang sind zwei regulatorische Aspekte von wesentlicher Bedeutung:
- Risikomanagement (mehr über Risikomanagement für Medizinprodukte hier)
-
Überwachung nach dem Inverkehrbringen (lesen Sie mehr über PMS in diesem Blogbeitrag)
2. Wie wird ein Medizinprodukt klassifiziert?
Zur Klassifizierung eines Medizinprodukts konsultieren Sie Anhang VIII der MDR, der aus drei Kapiteln besteht:
- SPEZIFISCHE DEFINITIONEN FÜR DIE KLASSIFIZIERUNGSREGELN
- DURCHFÜHRUNGSBESTIMMUNGEN
- KLASSIFIZIERUNGSREGELN
Die Risikoklassifizierung von Medizinprodukten beruht auf den in Anhang VIII der MDR festgelegten Regeln. Die Klassifizierungsregeln in Anhang VIII der MDR sind in die vier Unterabschnitte nicht-invasive Produkte, invasive Produkte, aktive Produkte und Besondere Regeln eingeteilt. Das erste Kapitel dieses Anhangs enthält die einschlägigen Definitionen, die für die Anwendung der Klassifizierungsregeln und Durchführungsbestimmungen erforderlich sind. Diese beschreiben die Produkteigenschaften und Definitionen, die für die Klassifizierungsregeln spezifisch sind, wie z. B.:
Dauer der Anwendung: Unterschiede zwischen vorübergehender, kurzzeitiger und langzeitiger Anwendung; Definition von invasiven und aktiven Produkten
In einem ersten Schritt werden alle Durchführungsbestimmungen von Anhang VIII der MDR berücksichtigt. Regel 3.5 lautet:
Wenn unter Berücksichtigung der vom Hersteller festgelegten Zweckbestimmung auf ein und dasselbe Produkt mehrere Regeln oder innerhalb derselben Regel mehrere Unterregeln anwendbar sind, so gilt die strengste Regel/Unterregel. Das Produkt wird in die jeweils höchste Klasse eingestuft.
Der zweite Schritt besteht darin, alle Klassifizierungsregeln von Kapitel III Anhang VIII daraufhin zu überprüfen, ob sie auf Ihr Medizinprodukt anwendbar sind oder nicht. Gelten mehrere Regeln oder Unterregeln, so ist die strengste Regel und Unterregel anzuwenden. Da die Zweckbestimmung die Grundlage für die Anwendung der Klassifizierungsregeln ist, kann es hilfreich sein, etwaige Einschränkungen ausdrücklich zu erwähnen (d. h. wofür das Medizinprodukt nicht verwendet werden soll — lesen Sie mehr über die Zweckbestimmung in diesem Blogbeitrag). Seien Sie dabei so genau wie möglich, vor allem, wenn aufgrund der Zweckbestimmung Zweifel aufkommen, ob das Produkt in den Geltungsbereich dieser Verordnung fällt (sogenannte borderline cases). Bei einer anderen Auslegung der Klassifizierung könnten die Regeln zur Einteilung in eine andere Risikoklasse führen.
3. Wie wird Zubehör klassifiziert?
Nach Artikel 2 Absatz 2 der MDR bezeichnet ein Zubehör eines Medizinprodukts „einen Gegenstand, der zwar an sich kein Medizinprodukt ist, aber vom Hersteller dazu bestimmt ist, zusammen mit einem oder mehreren bestimmten Medizinprodukten verwendet zu werden, und der speziell dessen/deren Verwendung gemäß seiner/ihrer Zweckbestimmung(en) ermöglicht oder mit dem die medizinische Funktion des Medizinprodukts bzw. der Medizinprodukte im Hinblick auf dessen/deren Zweckbestimmung(en) gezielt und unmittelbar unterstützt werden soll.“ Bevor Sie Ihr Produkt klassifizieren, sollten Sie unbedingt prüfen, ob ein bestimmter Gegenstand, den Sie als „Zubehör“ zu Ihrem Hauptprodukt betrachten, in diese Definition fällt.
Denn das Zubehör für Medizinprodukte wird getrennt vom Produkt klassifiziert; dabei gilt, dass alle aktiven implantierbaren Medizinprodukte und ihr Zubehör fallen unter die höchste Risikoklasse (Klasse III). Die entsprechende Durchführungsbestimmung 3.2 lautet:
Wenn das betreffende Produkt dazu bestimmt ist, in Verbindung mit einem anderen Produkt angewandt zu werden, werden die Klassifizierungsregeln auf jedes Produkt gesondert angewendet. Zubehör für ein Medizinprodukt […] wird unabhängig von dem Produkt, mit dem es verwendet wird, gesondert klassifiziert.
Medizinprodukte werden in der Europäischen Union (EU) nach ihrem Risiko klassifiziert und in die Klassen I, IIa, IIb und III eingeteilt.
4. Wie wird Medizinprodukte-Software klassifiziert?
Unter der früheren EU-Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte (MDD) in ihrer geänderten Fassung war Software ein eher vernachlässigtes Thema. Mit der MDR wird eine neue Klassifizierungsregel ausschliesslich für Software eingeführt. Die MDR definiert Software als „aktives Produkt“, was bedeutet, dass die Klassifizierungsregeln 9 bis 13 des Anhangs VIII der MDR berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus können die Besonderen Regeln 15 und 22 auch für Software gelten.
Die Regeln 9 bis 12 dienen der Klassifizierung von Produkten, die mit dem Austausch von Energie und/oder Stoffen zwischen dem Körper und aktiven diagnostischen oder therapeutischen Produkten zusammenhängen. Die Risiken im Zusammenhang mit eigenständiger Medizinprodukte-Software beziehen sich jedoch hauptsächlich auf die Folgen indirekter Schäden, die durch die Nichtbereitstellung korrekter Informationen entstehen könnten. Um diesem Risiko Rechnung zu tragen, wurde die Regel 11 in die MDR aufgenommen.
Die Regel 11 lautet:
Software, die dazu bestimmt ist, Informationen zu liefern, die zu Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke herangezogen werden, gehört zur Klasse IIa, es sei denn, diese Entscheidungen haben Auswirkungen, die Folgendes verursachen können:
- den Tod oder eine irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person; in diesem Fall wird sie der Klasse III zugeordnet, oder eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person oder einen chirurgischen Eingriff; in diesem Fall wird sie der Klasse IIb zugeordnet.
Software, die für die Kontrolle von physiologischen Prozessen bestimmt ist, gehört zur Klasse IIa, es sei denn, sie ist für die Kontrolle von vitalen physiologischen Parametern bestimmt, wobei die Art der Änderung dieser Parameter zu einer unmittelbaren Gefahr für den Patienten führen könnte; in diesem Fall wird sie der Klasse IIb zugeordnet. Sämtliche andere Software wird der Klasse I zugeordnet.
Weitere Erläuterungen zur Anwendung von Regel 11 finden Sie im Dokument MDCG 2019-11 (Qualifizierung und Klassifizierung von Software – Verordnung (EU) 2017/745 und Verordnung (EU) 2017/746).
Dieses Dokument konzentriert sich auf die wichtigsten Fragen zur Qualifizierung und Klassifizierung und enthält unter anderem eine Tabelle, die die MDR-Risikoklassifizierung von Medizinprodukte-Software mit dem vom IMDRF (International Medical Device Regulators Forum) entwickelten Rahmen für die Risikokategorisierung in Beziehung setzt. Dieser Rahmen kategorisiert das Risiko von Software auf der Grundlage einer Kombination aus der Bedeutung der von der Software bereitgestellten Informationen für Entscheidungen im Gesundheitswesen („Behandlung oder Diagnose“, „Steuerung des klinischen Managements“ oder „Information an das klinische Management“) und der Gesundheitssituation oder dem Zustand des Patienten („kritisch“, „schwerwiegend“ oder „nicht schwerwiegend“). Dieser Leitfaden wurde von der Industrie und Experten kritisiert, da er einige Probleme aufwirft. Es wurde bemängelt, dass er Ungereimtheiten und Fehler enthalte. Und dass einige seiner Inhalte eher Verwirrung stiften als Klarheit über die Auslegung der MDR zu schaffen. Der grösste Kritikpunkt mit den weitreichendsten Folgen ist die enge Auslegung der Regel 11 durch die MDCG. Diese bedeutet, dass es kaum eigenständige Software geben wird, die in die Klasse I fällt. Mit anderen Worten: Fast alle Medizinprodukte-Software, einschliesslich Medical Apps, wird hochklassifiziert, was den Aufwand und die Kosten für die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen durch die Hersteller vervielfacht. In diesem Blogartikel lesen Sie 10 Fakten, die Hersteller medizinischer Software über die MDR wissen müssen.
5. Welche Änderungen bringt die MDR bei der Klassifizierung?
Der in Artikel 51 beschriebene Klassifizierungsansatz hat sich nicht wesentlich geändert, aber die MDR verdeutlicht das Verfahren und die Rolle in unklaren Klassifizierungsfällen wie z. B.:
- Neue Klassifizierungsregel für bestimmte Produkte, z. B. eigenständige Software
- Klärung der Dauer der kontinuierlichen Anwendung
- Erläuterung, in welchen Fällen ein Produkt eine direkte Diagnose ermöglicht
Da die MDD dem Grad der Invasivität und der potenziellen Toxizität bestimmter Produkte, die in den menschlichen Körper eingeführt werden, nicht ausreichend Rechnung trug, wurden mit der MDR vier neue Regeln hinzugefügt. Damit wird eine geeignete risikobasierte Klassifizierung von Produkten sichergestellt, die aus Stoffen oder Kombinationen von Stoffen bestehen, die vom menschlichen Körper absorbiert oder lokal im Körper verteilt werden:
Regel 19 – Produkte, die Nanomaterial enthalten oder daraus bestehen
Regel 20 – Invasive Produkte im Zusammenhang mit Körperöffnungen zur Verabreichung von Arzneimitteln durch Inhalation
Regel 21 – Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, durch eine Körperöffnung in den menschlichen Körper eingeführt oder auf die Haut aufgetragen zu werden, und die absorbiert werden
Regel 22 – Aktive therapeutische Produkte mit integrierter oder eingebauter diagnostischer Funktion, die die Behandlung des Patienten wesentlich bestimmt
Diese neuen Regeln berücksichtigen, ob das Produkt seine Wirkung im oder am menschlichen Körper entfaltet, wo es eingeführt oder angewendet wird und ob eine systemische Resorption der Wirkstoffe oder der Produkte des Metabolismus dieser Wirkstoffe im menschlichen Körper erfolgt.
6. Wie weiter bei Problemen mit der Klassifizierung?
Der Hersteller ist für die korrekte Klassifizierung seiner Produkte verantwortlich. Die MDCG hat zwei Dokumente herausgegeben, um Hersteller zu unterstützen, die Schwierigkeiten mit ihrer MDR/IVDR-Klassifizierung haben:
- MDCG 2019-11 Qualifizierung und Klassifizierung von Software – Verordnung (EU) 2017/745 und Verordnung (EU) 2017/746
- MDCG 2020-16 Leitfaden zu den Klassifizierungsregeln für In-vitro-Diagnostika gemäss Verordnung (EU) 2017/746
Bislang gibt es keine MDCG-Leitlinien für Klassifizierungsregeln für allgemeine Medizinprodukte, die keine Softwareprodukte sind. Nach den von der MDCG veröffentlichten Plänen für künftige Leitliniendokumente (d. h. die Laufende Entwicklung von Leitlinien und die Ergebnisse der MDCG-Untergruppen) sind folgende Dokumente im Jahr 2021 zu erwarten:
- Klassifizierung von Medizinprodukten
- Grenzfälle mit Arzneimitteln (einschliesslich allgemeiner Hinweise, Definitionen der pharmakologischen, immunologischen und metabolischen Wirkungen und Diagnose)
Es gibt viele Gründe, warum die Klassifizierung eines Produkts nicht so einfach und unkompliziert ist wie erwartet, selbst unter Anwendung der in der MDR festgelegten Klassifizierungsregeln.
Bei Streitigkeiten zwischen Hersteller und Benannter Stelle entscheidet die zuständige Behörde (des Mitgliedstaats, in dem der Hersteller seinen Sitz hat) nach Anhörung der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte über die Klassifizierung und unterrichtet diese sowie die Kommission über ihre Entscheidung. Die zuständige Behörde stützt ihre Entscheidung auf die Klassifizierungsregeln in Anhang VIII der MDR, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse und/oder alle Informationen, die im Rahmen der Vigilanz- und Marktüberwachungstätigkeiten gemäss Artikel 51 MDR verfügbar werden. 51 MDR:
2. Jede Meinungsverschiedenheit zwischen einem Hersteller und der betreffenden Benannten Stelle, die sich aus der Anwendung des Anhangs VIII ergibt, wird zwecks Entscheidung an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats verwiesen, in dem der Hersteller seine eingetragene Niederlassung hat. Verfügt der Hersteller nicht über eine eingetragene Niederlassung in der Union und hat er noch keinen Bevollmächtigten ernannt, wird die Angelegenheit an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats verwiesen, in dem der in Anhang IX Abschnitt 2.2 Absatz 2 Buchstabe b letzter Spiegelstrich genannte Bevollmächtigte seine eingetragene Niederlassung hat. Hat die betreffende Benannte Stelle ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Hersteller, so trifft die zuständige Behörde ihre Entscheidung nach Anhörung der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, der die Benannte Stelle benannt hat.
Die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Hersteller seine eingetragene Niederlassung hat, setzt die Koordinierungsgruppe Medizinprodukte und die Kommission über ihre Entscheidung in Kenntnis. Die Entscheidung wird auf Ersuchen zur Verfügung gestellt.
3. Die Kommission entscheidet auf Ersuchen eines Mitgliedstaats nach Anhörung der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte mittels Durchführungsrechtsakten über Folgendes
a) die Anwendung des Anhangs VIII auf ein bestimmtes Produkt, eine Produktkategorie oder eine Produktgruppe, um so die Klassifizierung dieser Produkte zu bestimmen;
b) die Klassifizierung – abweichend von Anhang VIII – in eine andere Klasse eines Produkts, einer Produktkategorie oder einer Produktgruppe aus Gründen der öffentlichen Gesundheit gemäß neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen oder auf der Grundlage von Informationen, die im Laufe der Vigilanz- und Marktüberwachungstätigkeiten verfügbar werden.
4. Die Kommission kann auch aus eigener Initiative und nach Anhörung der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte mittels Durchführungsrechtsakten über die Fragen nach Absatz 3 Buchstaben a und b entscheiden.
5. Um die einheitliche Anwendung des Anhangs VIII sicherzustellen, kann die Kommission unter Berücksichtigung der betreffenden wissenschaftlichen Gutachten der einschlägigen wissenschaftlichen Ausschüsse Durchführungsrechtsakte erlassen, soweit dies für die Lösung von Problemen im Zusammenhang mit Unterschieden bei der Auslegung und der praktischen Anwendung erforderlich ist.
Der Hersteller ist für die korrekte Klassifizierung seiner Produkte verantwortlich.
7. Gelten die Klassifizierungsregeln auch für Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung?
Die MDR reguliert Medizinprodukte, ist aber auch für bestimmte Produktgruppen ohne medizinische Zweckbestimmung anwendbar. Diese Gruppen sind in Anhang XVI aufgeführt. Die Klassifizierungsregeln wurden für die Klassifizierung von Medizinprodukten formuliert und sind nicht ohne weiteres auf Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung übertragbar. Das Beispiel der aktiven Produkte ohne medizinischen Zweck veranschaulicht dieses Problem: Würden die Klassifizierungsregeln auf aktive Produkte angewandt, die unter Anhang XVI fallen, so würden sie alle nach den Restkriterien der Regeln 13 und 11 in die Klasse I eingestuft werden. Damit wird in vielen Fällen das Risiko solcher Produkte für ihre Nutzer nicht erfasst.
Die Europäische Kommission ist sich dieser Problematik bewusst und bereitet einen Durchführungsrechtsakt vor, um die für Produkte des Anhangs XVI geltenden Rechtsvorschriften zu präzisieren.
8. Wie und wo wird die Klassifizierung begründet?
Anhang II der MDR beschreibt die Anforderungen an die technische Dokumentation eines Medizinprodukts und legt fest, dass die Produktbeschreibung die Risikoklasse und die Begründung für die gemäss Anhang VIII angewandte Klassifizierungsregel (gemäss Abschnitt 1.1(f)) sowie die Begründung für die Qualifizierung als Medizinprodukt (gemäss Abschnitt 1.1(e)) enthalten muss.
Die Begründung für die Qualifizierung sollte auf den Definitionen für Medizinprodukte und Zubehör für Medizinprodukte in Artikel 2 der MDR basieren. Ein nützliches Instrument zur Darstellung der Qualifizierungsgrundlagen für Medizinprodukte-Software ist als Entscheidungsbaum im Leitfaden MDCG 2019-11 zu finden.
Unterschiede in der Klassifizierung zwischen der EU & den USA
Fragen Sie sich zudem, ob die Risikoklassifizierung in der EU mit den Risikoklassen in den USA übereinstimmt? Dann können Sie in diesem Blogpost über die Unterschiede lesen und wie die Risikoklasse den Regulierungsweg in der EU und den USA bestimmt.
Wie kann Decomplix Ihnen helfen?
Haben Sie bestimmte Fragen, die Sie besprechen möchten? Wie Sie nun wissen, sind die Besonderheiten und der Verwendungszweck eines Produkts ausschlaggebend für die richtige Klassifizierung. Wir unterstützen Sie gerne bei der (Neu-)Definition der Zweckbestimmung oder der Klassifizierung Ihres Medizinprodukts. Und wenn Sie schon dabei sind, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag 10 Aspekte der Anforderungen der MDR an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen. Denn auch die Anforderungen an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen richten sich nach der Risikoklasse Ihres Produkts. Mehr über unsere Dienstleistungen erfahren Sie hier.